Mwenge – die Flamme der Einheit

Die Tansanier sind sehr stolz auf ihre jüngere Geschichte und den friedvollen Übergang von der Kolonialzeit in die Unabhängigkeit. Irgendwie ist es ihnen gelungen aus einem künstlich zusammengefügte Gebilde mit unzähligen Volksgruppen eine Nation zu werden. Eines der Symbole der Einheit ist die Flacke der Einheit, die jedes Jahr für Monate durchs Land getragen und gefahren wird.
In diesem Jahr beginnt der Lauf der Mwenge in Songea und der Ruvuma-Region. Songea, als Ort des sogenannten Maji-Maji-Aufstand hat für das Nationalbewusstsein eine besondere Bedeutung. Hier wehrten sich die Einwohner der Region zu Beginn des 20. Jahrhunderts das erste Mal gegen die – damals – deutschen Kolonialherren und wurden blutig niedergeschlagen.
Die Flamme wird mit verschiedenen Botschaften jedes Jahr durchs Land getragen. In diesem Jahr steht natürlich die Wahl im Oktober im Vordergrund. Mit der Flamme werden die Menschen ermahnt alles für eine demokratische Durchführung der Wahl zu tun.
Und diese Flamme kam nun tatsächlich gestern nach Ruhuwiko. Die Kinder waren begeistert. Außerdem war schulfrei! Und dieses Spektakel! So viele Uniformen, Maschinengewehre, Autos… und die Flamme, jede Schwester kann erzählen, wann sie das erste Mal die Flamme berührt haben. Eine Bedeutung, die sich uns Deutschen mal wieder entzieht. Und doch war es faszinierend mit welcher Ernsthaftigkeit und Freude diese Flamme inszeniert wird. Eine tief religiöse Symbolik! Trotz Gasmasken wegen dem Petroleumgestank.
Ernährungszustand

Gestern traf ich auf der Kinderstation unter anderem dieses unterernährte Zwillingskind an, das nun das Glück hat, über eine Sonde ernährt zu werden. Scheinbar hat die Muttermilch nicht für zwei gereicht und Milchpulver ist unerschwinglich für die meisten Mütter.
Doch auch sonst begegnen mir immer wieder Kinder mit eindeutigen Zeichen einer Mangelernährung. Oft sind es Zeichen von Vitamin- und Eiweißmangel.
Durch den Ugali, den typischen Maisbrei werden die abgestillten Kinder schnell satt, Fleisch ist Mangelware und Eier sind häufig nicht für den eigenen Verzehr bestimmt, sondern werden, wo es nur geht, verkauft oder getauscht. Schließlich braucht die Familie Geld fürs Vocha (Handykarte), Medizin oder ähnliches.
Alte Missionare berichten, dass der Speisezettel im Land früher bedeutend reichhaltiger war. Es wurden unterschiedliche Sorten Getreide und Gemüse angebaut und verzehrt. Ob es tatsächlich so war, dass die Einfuhr von Mais in den Nahrungsmittelprogrammen der Notzeiten dazu führte, dass der Anbau und die Ernährung einseitiger wurden, weiß ich nicht. Inzwischen ist es aber klar ein Problem des Bildungsstands, an dem zumindest teilweise gearbeitet werden kann.
Inzwischen bin ich in Ruhuwiko angekommen. Zur heutigen Fahrt verliere ich besser kein Wort. Hier ist es auf jeden Fall entsetzlich heiß. Morgen geht es früh nach Mkenda – irgendwelche Probleme mit dem Grundstück… Mal sehen…
Bedürfnisse

Sr. Antide hätte gerne Bücher für ihren Kindergarten. Im Moment hat sie zwei Bücher für 133 Kinder. Und Sr. Birgitta berichtet vom Internat, in dem die Betten leider nicht ausreichen. 10 Mädchen teilen sich gerade zu zweit ein Bett und die Tassen reichen auch nicht für alle Mädchen.
Nicht nur die bescheidenen Anfragen bewegen uns, auch dass wir hier die Aufgaben der Diözese übernehmen. Seit zwei Jahren werden keine Gehälter gezahlt. Wir entdecken, dass keiner der Lehrer und Arbeiter einen Arbeitsvertrag hat. Die Instandhaltung der Gebäude auf dem sandigen Boden wurde seit Jahren vernachlässigt, nun gibt es massive statische Probleme. Vermutlich steht wieder einmal ein Gespräch mit dem Bischof an…
Die Schwestern lösen die Situation im Moment mit mehr Arbeitseinsatz. Sie vergrößern ihr Feld, um den übrigen Mais zu verkaufen und damit die Lehrer zu bezahlen oder backen Mandazis, um das Einkommen aufzubessern, damit die Einrichtung bestehen kann. Wir sind wirklich beeindruckt von ihrem Engagement und verärgert über das Verhalten der Verantwortlichen…
Sonntag – Tag des Herrn

Der Sonntag in Ruhuwiko brachte die Gelegenheit, endlich einmal einen Sonntagsgottesdienst in der Pfarrgemeinde mitzufeiern. Da wir in einem Land der Frühaufsteher gelandet sind, findet der Hauptgottesdienst um 7:00 Uhr statt – und zwar 7 Uhr morgens!!!
Auf die Idee, dass das 10 Uhr Frühstück bedeutet, sind wir nicht gekommen, weil um 9 Uhr eigentlich die Langschläfermesse stattfindet.
Kurz nach sieben begann mit großem Einzug, kräftigem Chorgesang und ganz viel Weihrauch die Messe, kurz nach halb zehn waren wir fertig. So gegen acht war der Chor vollzählig und die Kirche gestopft voll.
Leider verstehe ich immer noch nur Bruchstücke, aber irgendwie ging es um die Familie. Was auch immer gepredigt wurde, es muss sehr lustig gewesen sein.
Doch nicht nur der Pfarrer hat ganz viel zu sagen – und der Chor viel zu singen, auch der Vorsitzende des Kirchengemeinderats muss ausführlich und wichtig zu großzügigen Spenden für die Kirchengemeinde aufrufen und am Schluss des Gottesdienstes das Sammelergebnis unter Applaus bekannt geben. Und selbstverständlich braucht auch noch der Katechist seine Redezeit und gibt ausführliche alle Termine der nächsten Woche und alle wichtigen Ereignisse der Gemeinde bekannt.
So vergeht die Zeit und während ich mir überlege, ob die Leute, die zur nächsten Messe kommen, schon ungeduldig vor der Tür warten, scheinen alle anderen voll bei der Sache zu sein und fühlen sich sichtlich gut unterhalten.
Sonntag in Ruhuwiko

Heute stand ein ruhigerer Tag auf dem Plan… Sonntag halt, Sonntag in Ruhuwiko. Und doch war es ein besonderer Sonntag, weil es der Vorabend des Namenstag von Sr. Lintrud war. Für die Kinder in Ruhuwiko bedeutete das viel Vorbereitung, vielleicht hatten sie nicht immer Lust dazu. Aber heute Abend waren sie einfach richtig stolz und glücklich. Ihre Tanzvorführungen zu Ehren des Namenstags faszinierten durch ihre Akrobatik, das Körpergefühl und die tiefe innere Freude am Tun. Faszinierend wie sie sich trotz Hörschädigung organisieren und gemeinsam zu solcher Leistung fähig sind. Zum Beispiel beginnt der Vortänzer mit einem eigenen inneren Rhythmus, dann nehmen die Trommeln den Rhythmus auf und die anderen Tänzer fallen ein.
Mal sehen, wie morgen der Namenstag weiter gefeiert wird…
Die Wasserstelle in Matimira und der Stau vor dem Maislager der Regierung

Zwei Situationen des heutigen Tages:
Direkt vor Ruhuwiko gibt es schon seit über einer Woche einen Stau vor dem Maislager der Regierung. Lastwagenweise transportieren die Kooperativen der Kleinbauern hier ihre Maisernte an. Eigentlich wollte die Regierung die Überproduktion im Süden des Landes aufkaufen, um für Hungersnöte Mais vorrätig zu haben. Denn in etlichen Landesteilen hat es so lange geregnet, dass die Ernte verdorben ist oder es war viel zu trocken und die Ernte fiel aus. Die Bauern hier im Süden haben eine gute Ernte und haben sich auf die Versprechen der Regierung verlassen und bringen nun ihren Mais, um ihn dort zu verkaufen. Doch leider hat die Regierung gerade kein Geld!!! Nun verteilen sie Gutscheine, aber die wenigsten wollen sich auf Gutscheine oder Schuldscheine verlassen, zu oft haben sie schlechte Erfahrungen gemacht und gingen dann leer aus. Jetzt stehen also viele Lastwagen vor dem Lager und warten darauf, dass die Regierung ihnen den Mais abkauft und zwar mit realen Tansanischen Schillingen. Doch ewig können sie nicht warten. Die LKWs sind teuer, der Mais bekommt schnell Ungeziefer, wenn er nicht anständig gelagert wird, die Bauern müssen zurück…. Wir sind gespannt, wie diese Geschichte ausgeht.
Die zweite Erfahrung, die uns nachdenklich macht:
In Matimira wurde eine Wasserpumpe vor ein paar Jahren mitfinanziert. Nun sehen wir überrascht die Kinder weiterhin Wasser holen und den Berg hinauf schleppen. Am Wasserloch wird auch nach wie vor gleichzeitig gewaschen. Auf unser Nachfragen erfahren wir, das Wasser, das ins Dorf hoch gepumpt wird, reicht nur für das Pfarrhaus, das Schwesternhaus und den Kindergarten. Der Diesel für die Pumpe ist viel zu teuer für das Dorf. So werden die Kinder, vor allem die Mädchen, auch in Zukunft das Wasser auf dem Kopf den Berg hoch tragen, wenn niemand eine Idee hat und die Initiative zeigt, die Situation zu verbessern.
Und was ist hier nun unser Auftrag? Haben wir überhaupt noch einen Auftrag? Das sind die Fragen, die uns hier täglich beschäftigen…
Kinder

Der Tag begann mit Begegnungen mit den bei der Verbandsvisite in Ikonda vor Schmerzen weinenden Kindern und endet mit den hörgeschädigten Kindern, die uns in Ruhuwiko begrüßen. Kinder, die so früh schon vor besondere Herausforderungen gestellt sind und in deren Augen ganze Geschichten zu lesen sind – und vor allem ganz viel Sehnsucht nach Geborgenheit und Nähe.
Dazwischen lagen über 300 km – inzwischen durch die klimatischen Bedingungen – relativ schlechte Straßenverhältnisse, ca. 1500 Höhenmeter und viele Eindrücke von Land und Leuten.
Die Schwestern in Ruhuwiko haben uns herzlich aufgenommen, hier werden wir für drei Nächte sesshaft werden und von hier aus die Stationen in der Diözese Songea besuchen. Doch jetzt sind wir einfach froh und dankbar, dass wir gut angekommen sind.
Selbstversorger

Durch die Buchhaltung war zwar schon lange ersichtlich, dass die Farm der Gehörlosenschule in Ruhuwiko erfolgreich sein muss, denn ca. 160 hörgeschädigte Kinder werden auf diesem Weg satt. Aber als wir heute nun dort vorbei gefahren sind, war ich über die Größe aber auch über den hervorragenden Zustand positiv überrascht. Nur der Pflug, der im Stall steht, kann leider nicht genutzt werden, dazu ist der Traktor zu klein, besser gesagt zu schwach. Doch unser Wissen zum Thema Landwirtschaft und landwirtschaftliche Maschinen in Tansania ist mehr als dürftig. Ich wusste bis heute nicht, dass man zwischen Scheibenpflug und Scherenpflug (oder hieß der anders?) unterscheidet und dass der Scheibenpflug in dieser Region von Vorteil ist.
Doch wie sich auf dieser Reise die Puzzlestücke immer wieder, wie gelenkt, zusammen setzen lassen, fanden wir bei unserem anschliessenden Besuch in Peramiho beim Abt gleich kompetente Unterstützung und Beratung, so dass wir von Sr. Lea sicher bald einen Projektvorschlag bekommen.
Inzwischen sind wir im Regionalhaus angekommen und hatten bereits ein Treffen mit der Regionalleitung und dem Koordinator für das Gesundheitswesen der Diözese. Morgen geht es an den Nyassa-See. Mal sehen, welche Überraschungen uns dort erwarten.
Eine Diözese vor dem Neuanfang

Zwei Konvente haben wir heute von Ruhuwiko aus besucht und wurden gleich mit den aktuellen – oder endlich offen zu Tage getretenen Problemen der Diözese konfrontiert.
In Matimira trafen wir eine völlig verzweifelte Schwester Tunu an. Seit Januar hat die Diözese den Lehrern der Haushaltungsschule, die sie leitet, kein Gehalt mehr gezahlt. Heute wollte nun der letzte Lehrer, der noch geblieben war, das Handtuch schmeißen. 60.000 Tansania-Schillinge ungefähr 30 Euro im Monat. 120 Euro haben dafür gesorgt, dass Sr. Tunu eine Anzahlung machen konnte und die Schülerinnen nach den Ferien, wenigstens einen Lehrer noch haben.
So leicht geht es in Namabengo, der nächsten Station, jedoch nicht! Dort trafen wir im ehemaligen blühenden Missionshospital eine wahre Ruine an. Solch eine einzige Katastrophe von Krankenhaus habe ich noch nie gesehen. Die Schwestern berichten katastrophale Dinge über das Missmanagement in der Diözese, darüber, wie bei ihnen die besten Matratzen von offizieller Seite einfach abgeholt wurden, wie sie gezwungen werden überhöhte Preise von den Patienten zu verlangen, keine Medikamente stehen mehr im Schrank. Kurz und gut das Hospital wurde innerhalb von 10 Jahren zur Ruine herunter gewirtschaftet.
Mit einer Riesenwut fuhren wir zurück und mussten anschließend zum Antrittsbesuch beim neuen Erzbischof. Nur gut, dass es sich in einer Fremdsprache nicht so gut schimpfen lässt. So gelang es ganz gut, die Wut zu kanalisieren und die Herausforderungen zu thematisieren. Vielleicht waren das erste Ansätze eines Neuanfangs.
Ruhuwiko – Kigonsera – Mbinga

Ohne Baustellenbesichtigung durften wir natürlich Ruhuwiko nicht verlassen. Zwischen riesigen Pfützen auf Baubrettern mit alten Nägeln sind wir durch die Baustelle des Gästehauses balanciert, auf der manche Arbeiter barfuß arbeiten. In der Schreinerei der Schule hatten die gehörlosen Schüler mit ihrem Meister das erste Bett fertig gestellt. Erst nach einem Probeliegen wurde allen Beteiligten klar, dass die nächsten Betten länger werden müssen.
In Kigonsera erwartete uns dann die freudige Überraschung, dass nun alle Teile des Hospitals mit Strom versorgt werden können, dafür ist der Bau des Röntgenraums momentan wegen Geldmangels gestoppt. Während unseres Rundgangs wurde ein kleiner Sarg abgeholt. Ein zehnjähriger Junge wurde gestern von einem LKW angefahren und starb, kurz nach dem er eingeliefert wurde. Gestern war einer der heftigeren Tage in Kigonsera. Neben dem kleinen Jungen starb auch eine junge Mutter, die nach Komplikationen während der Geburt mit massiven Blutungen von einer kleinen Dispensary, natürlich ohne Krankenwagen, nach Kigonsera gebracht wurde. Doch auch da kam jede Hilfe zu spät.
Inzwischen sind wir in Mbinga angekommen und bereiten das große Schwesternmeeting morgen und übermorgen vor.