Der große Tag…

…war dann plötzlich da.
Nach zehnjähriger Vorbereitungszeit!
Gestern wurde also feierlich die Provinz Mbinga “erhoben” und die bisherige Regionalleitung wurde zur Provinzleitung ernannt.
Damit geht eine größere personelle und finanzielle Selbständigkeit einher Dazu gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen unter den Schwestern. Wie immer bei solch einschneidenden Veränderungen. Aber wir haben lange darauf hingearbeitet und die Zeit ist reif.
Gestern dann wurde vor allem ausgiebig gefeiert. Die Eindrücke sind so vielfältig. Es war ein fröhliches, wenn auch nicht ausgelassenes Fest.
Irgendwie der Situation angemessen. Vor allem aber war es ein Fest des Dankes.
Dar es Salaam

So. Noch eine Baustelle besichtigt. In Goba, einem Vorort oder bei dem schnellen Wachstum der Stadt vermutlich bald ein Stadtteil von Dar es Salaam entsteht eine neue Schwesternstation. Das Haus für die Schwestern ist eigentlich bezugsfertig. Der Rohbau des Health Centers wirkt beeindruckend. Es sieht super sauber gearbeitet aus. So mit unseren Laienaugen.
Das Schöne an der Station, sie liegt auf einem Hügel. Das bedeutet, es geht meist ein wenig Wind vom Ozean her und deshalb ist es nicht ganz so heiß und die Schwestern leben in der Regenzeit nicht ständig mit dieser Überflutungsgefahr. Trotzdem werden sie natürlich die jetzige Station Luhanga und die Menschen dort im Überflutungsgebiet nicht allein lassen.
Unser Driver fuhr uns hupend und selten bremsend mit Karacho durch die Stadt. Über Schleichwege, rechts und links am Stau vorbei – trotz meiner Warnung demnächst unseren Mageninhalt an der Scheibe kleben zu haben.
In Luhanga erzählten uns die Schwestern vom Tod des Präsidenten Magifuli. Etwas schockiert erfuhren wir, dass sie mitten in diesen Menschenmengen bei der Verabschiedung waren. Gott sei Dank sind sie heil aus dieser Situation heraus gekommen. Einige Menschen kamen bei einer Panik zu Tode. Von einer möglichen Ansteckungsgefahr mal abgesehen.
Dafür wurde zur Prävention wieder ganz viel Obst gekauft. Alle schwören auf Ingwer und Zitrusfrüchte.
Verändert Corona die Welt?
Der Gästebruder in unserer Unterkunft ist der Überzeugung, dass nichts mehr wird wie vor der Pandemie. Warum? “Die Leute wollen nicht mehr reisen. Sie werden daheim bleiben.” Na. Wohl kaum die Deutschen.
Der Strandverkäufer dagegen wartet sehnsüchtig darauf, dass alles wieder so wird, wie vor der Pandemie. Die drei Schlüsselanhänger, die wir gekauft haben, waren seine gesamten Einnahmen der Woche. Es kommen keine Tourist:innen.
Die Strandbar verfällt zusehends aber war das nicht schon vor der Pandemie zu sehen? Neu fällt der starke Geruch von Cannabis auf. Aber vielleicht war das auch schon vorher so…
An der Coronateststelle warteten Menschen aus allen möglichen Ländern mit uns auf den Test. Übrigens ein wirklich professionell organisiertes Vorgehen. Hoffentlich mit einem negativen Ergebnis für uns.
Auch das sind weitere Puzzleteile unseres Coronabildes von Tansania. Testen ist also möglich. Nur eben nicht dort, wo es besonders nötig ist – zur Diagnostik und zum Schutz in den Krankenhäusern. Sondern dort, wo Geld zu verdienen ist. 170 $ pro Person.
Wir werden sehen, was sich alles verändert. “Tutaona” auf Kisuaheli meint “Schau mer mal*.
Neue Puzzleteile

Langsam kommen neue Puzzleteile zu unserem Coronabild hinzu. Es muss im Februar/März eine massive Welle an Erkrankungen gegeben haben. Allerdings scheint diese Welle, wie überall, vor allem die Ballungsgebiete betroffen zu haben.
Mitarbeiter:innen aus größeren Kliniken berichten, wie schwierig der Umgang war und ist, ohne eindeutige Diagnosemöglichkeiten. Noch immer gibt es Tests nur in Dar es Salaam für die Menschen, die ins Ausland reisen. Die Kliniken haben keine Möglichkeit die Patientinnen und Patienten zu testen. Eine Diagnose wird anhand der Symptome erstellt. Das macht den Umgang so schwer.
Die Menschen, die nun Erfahrungen mit dem Virus und seinen Auswirkungen in dieser Zeit gemacht haben, fürchten die nächste Welle und schauen gebannt nach Indien.
Bei der Ankunft in Dar fällt uns ein Streetartbild an einer Baustelle auf. Zu Beginn der Aidskampagne wurde viel mit diesem Medium gearbeitet, aufgeklärt, informiert, manchmal auch Angst gemacht. Wie erfolgreich das war, kann ich nicht beurteilen. Die Ausbreitung gestoppt, haben jedoch vor allem die Medikamente. Oder der Mix aus Information und pharmazeutischen Interventionen. Vielleicht werden die Menschen hier aus diesen Erfahrungen lernen. Allerdings werden sie unsere Solidarität brauchen.
Ziege mit Helm
Dienstag war einer dieser elenden Pack- und Abschiedstage. Auf einmal sind noch zig Dinge wichtig und bis zur letzten Minute kommen Schwestern und bringen ganz wichtige Post für Deutschland. Nach dreimaligem Umpacken, Aussortieren, Kofferdeckel zudrücken und wiegen, bleiben Schmutzwäsche und das englische Kirchenrecht zurück und wir reisen mit einem Koffer voll Post und Geschenken zurück.
Kein wirklich spannender Tag. Deshalb noch kurz die Geschichte der Ziege vom Montag. In Mbambabay trafen wir den Generalvikar aus Mbinga mit einer Ziege auf dem Autodach. Er kam aus Makwai. Dort war am Sonntag Firmung. Und so eine Ziege, die zur Gabenbereitung in der Kirche tanzend an den Altar gebracht wird, ist durchaus ein übliches und angemessenes Geschenk für den Firmspender.
Vermutlich war der Sonntag schon ein absoluter Stresstest für die Ziege. Denn nicht jede Ziege mag durch die Kirche tanzen.
Am Montag nun durfte die Ziege auf dem Autodach nach Mbinga fahren. Dazu muss man wissen, der Generalvikar ist kein ängstlicher Fahrer, die Straße ist ganz neu ausgebaut, es gibt kaum Verkehr und die üblichen Humbs (“Hubbel”) zur Geschwindigkeitsbegrenzung sind noch nicht installiert. Die arme Ziege. Pole mbuzi.
Der Generalvikar hat uns erst mal ausgelacht bezüglich unserer Einwände. Typisch deutsch! Aber er hat glaubhaft versichert, dass die Ziege nicht gleich auf seinem Teller landet, sondern erst noch in Mbinga im Garten des Pfarrhauses das Leben genießen darf.
Und wir haben eingesehen, ein Helm für die Ziege wäre wohl auch nicht die Lösung.
Meilensteine für Makwai
Wir haben es tatsächlich geschafft, an den See zu fahren. Bis Mbambabay geht es jetzt richtig komfortabel auf einer asphaltierten Straße. Richtig gut ausgebaut.
Die Weiterfahrt nach Makwai, unser eigentliches Ziel, war jedoch mühsam. Aber es hat sich gelohnt.
In Makwai wird in den nächsten Wochen das Schwesternhaus fertig. Das ist wie eine riesengroße Beruhigung und Freude. Denn das jetzige Haus, vor allem aber die Schlafzimmer und die Kapelle wurden von den Exkrementen der Fledermäuse völlig verseucht. Der Gestank ist unerträglich und die Schwestern klagen zunehmend unter gesundheitlichen Problemen. So eklig!
Die zweite große Überraschung ist, dass Sr. Julia im Auftrag der Diözese endlich die Maternity baut. Eines der Projekte, die noch von Sr. Gabriele begonnen wurde. Ewig lag es auf Eis, weil die Verantwortlichkeiten nicht klar waren. Doch nun steht da eine hübsche kleine Maternity und ich bin mir sicher, die werdenden Mütter sind bei Sr. Julia in guten Händen. Zumindest mich hat sie bei einer schwierigen Geburt, bei der ich dabei war, echt überzeugt.
Echte Meilensteine, die wir heute anschauen durften.
Warten

Seit heute Nachmittag begrüßen uns die Schwestern mit dem Gruß: “wir warten auf den Heiligen Geist”.
Pfingsten wird so eingeläutet. Natürlich laufen die Vorbereitungen schon länger. Fast jeden Abend läutete das Glöckchen und rief die Chorsängerinnen zusammen. Heute Abend gab es dann schon Bananenchips und ein Theaterstück der Novizinnen zur Einstimmung.
Wir waren heute aber nicht so sehr mit Festvorbereitungen beschäftigt sondern unterwegs.
Zuerst ging es auf die Baustelle von Kihaha, dem Krankenhaus. Endlich ist das OP-Gebäude so gut wie fertig. Dann können jetzt die Bettengebäude gebaut werden. Der Wald ist gerodet und demnächst wird mit dem Bau begonnen.
Interessanterweise hat schon vor einem Jahr die Regierung die Verwaltungsgebäude als Notfallklinik für Covid19 Patient:innen eingerichtet. Gott sei Dank wurden sie bisher nicht gebraucht. Wir können nur hoffen, dass das so bleibt.
Dann gab es noch einen kurzen Abstecher ins Waisenhaus St. Katharina. Doch es war wie immer. Wir konnten uns nicht so schnell losreißen und plötzlich stand ein hingezaubertes Mittagessen auf dem Tisch. Auch in St. Katharina ging es um Corona. Die “Zwerge” erklärten, warum sie vor dem Essen Hände waschen. Nein, nicht weil alles wegen der Lollis klebt, sondern wegen “Corona”. Und man sah an ihrem Gesichtsausdruck, was sie von uns wegen dieser dummen Frage hielten.
Und nun? Nun warten wir auf den Heiligen Geist.
Wie ein “historischer Augenblick”

Wie bei den Meetings von Politiker:innen gab es zum Abschluss noch ein Gruppenbild. Schließlich hat das Alles ja fast historischen Charakter.
Morgen früh nach dem Gottesdienst brechen die ersten Schwestern auf. Sr. Michaela hat die weiteste Reise vor sich. Vermutlich ist sie drei Tage mit dem Bus unterwegs.
Sr. Pia und Sr. Priscilla fahren nach Maguu. Wo übrigens mal wieder wegen dem vermehrt auftretenden Starkregen die Turbine einen Schaden ab hat.
Am Montag bringen wir Sr. Maria Goretti nach Makwai. Das machen wir doch gerne. Vielleicht reicht es dann zumindest kurz mit den Füßen in den See. Das sind doch gute Aussichten.
Und trotzdem haben wir sehr, sehr dankbar heute abgeschlossen. Zuversicht ist also angesagt.
Rosenkranz – ein wenig speziell

Oh, es ist wirklich anstrengend, sich den ganzen Tag mit den Texten der Konstitutionen und dem Ordensrecht auseinander zu setzen. Zwischendurch verbeißen wir uns an einem Punkt, der wirklich was mit unserem erlebten Alltag zu tun hat und dann wird es spannend. Dann schaffen wir den Transfer zu unseren unterschiedlichen Kulturen und können pragmatische Lösungen finden, zumindest manchmal. Oft gelingt es auch nicht. Vor allem wird deutlich, wie europäisch geprägt das Ordens- bzw. Kirchenrecht ist. Tja. Jetzt müssen wir halt erst einmal das Beste aus der Situation machen.
Und dazu gehören Pausen zum Beten, in der Sonne sitzen und zum Lachen.
Unser Rosenkranzgebet ist ein wenig speziell, zwischendurch lachen wir immer wieder eine Runde. Mal verpassen wir das Weitergehen der Finger und die Kette droht zu zerreißen, dann wieder seufzt jemand das “Asante Jesus” so herzzerreißend, dass eine der Schwestern das Kichern anfängt, auf jeden Fall werden so erst einmal die sprachlichen Hürden und auch manch andere einfach weggelacht.
Alltag
Während die zehn gewählten Kapitularinnen samt Sr. Janeth, der Oberin der Region Mbinga und Sr. Sara, Oberin der Subregion in Äthiopien mit uns über den Texten der Konstitutionen sitzen, geht der Alltag im Regionalhaus natürlich wie gewöhnlich weiter.
Auf dem Weg zum Pausentee treffen wir fröhlich singende Novizinnen im Garten und Neuankömmlinge an der klostereigenen Tankstelle.
Heute kam eine große Ladung Gemüse, Mais und – Überraschung – frisch geschnittenes Zuckerrohr von der Farm in Lipilipili.
Insgesamt ist zu merken, wie viel Wert im Moment auf vitaminreiches Essen gelegt wird. So viel frisches Obst wie möglich, selbstgepresster Saft aus Avocado mit Banane. Sehr gehaltvoll. Oder am Abend ein großer Eimer voll frischem Ingwertee mit viel Zitrone. Brrr. Sehr scharf. Aber gerade darauf schwören die Schwester. Unser Gebet und der Tee haben uns durch die letzte Welle gebracht, meint Sr. Janeth. Ja. Andere Möglichkeiten hatten die Schwestern ja auch nicht.