Ein gutes, neues Jahr 2015
Nein, kein Missverständnis. Morgen beginnt in Äthiopien das Jahr 2015. Und es scheint ein großes Fest zu werden. Zumindest sehen wir bei unserer Fahrt an den Flughafen überall die Vorbereitungen für das Fest.
Menschen kaufen Schafe oder Hühner, die heute noch geschlachtet werden und grünes Gras. Das Gras wird in der Wohnung ausgelegt, als Zeichen für Lebendigkeit und Fruchtbarkeit soll es im neuen Jahr Glück bringen. Und es gibt überall Holzbündel zu kaufen. Die werden heute Abend entzündet und es wird getanzt und über das Feuer gesprungen.
Auch die Schwestern waren heute morgen schon aufgeregt. Und die Festfreude hat die Abschiedsstimmung ein wenig verscheucht. Als wir dann aufbrachen, sind zwei Schwestern in die Stadt, um das Schaf zu kaufen, das heute Nachmittag im Garten geschlachtet wird.
Vermutlich werden sich dann spätestens morgen Abend die Hyänen wieder auf den Weg machen, um die Reste in den Gärten und Hinterhöfen zu suchen. Inzwischen können wir ganz gut unterscheiden zwischen dem Gebell der Hunde und ihrem Jaulen, wenn sie die Hyänen riechen. Auch das Heulen der Hyänen erkennen wir jetzt. In den Hügeln und Bergen am Stadtrand gibt es genug Höhlen, in denen sie leben und Fleischabfälle finden sie scheinbar genug. Neujahr wird also nicht nur ein Fest für die Menschen.
Wir reisen zufrieden und besorgt zurück. Zufrieden über die Entwicklung der jungen Gemeinschaft und die Ergebnisse unserer Workshops. Besorgt über die Situation im Land. Und wir haben das Versprechen gegeben, dass wir bald wiederkommen.
Alltag in Krisensituationen
Unsere Tage sind ausgefüllt mit Einzel- und Gruppengesprächen. Und wir hören immer wieder von den Schwestern, wie sie sich bemühen, den Alltag zu bewältigen, das Gemeinschaftsleben aufrecht zu erhalten, ihren vinzentinischen Auftrag zu erfüllen. Sie erzählen von ihren Träumen, ihren Erwartungen und ihren Enttäuschungen. Zwischendrin werden es immer wieder schwierig mit dem gegenseitigen Verständnis, manchmal liegt es einfach an sprachlichen Hindernissen, oft aber fehlt uns einfach das Verständnis für die Kultur, für das Ausbildungssystem, für die gesellschaftlichen Zusammenhänge. Es geht also darum, gut hinzuhören und immer wieder nachzufragen. Voreilige Schlussfolgerungen haben uns in der Vergangenheit immer wieder in Missverständnisse geführt und das Ergebnis waren meistens gegenseitige Enttäuschungen.
Bei diesem Treffen hören wir aber auch immer wieder von Ängsten und Hindernissen, die wir nicht kennen. Zum Beispiel, wenn die Schwestern im Konvent in Gimbi nachts wegen den Schüssen zwischen den kämpfenden Parteien nicht schlafen können, oder Sr. Helen zur Zeit das Woman-Promotion-Projekt in Shaki nicht besuchen kann, weil die Gefahr zu groß ist, zwischen die Parteien zu geraten, oder wenn Sr. Hana erzählt, dass alle Termine, die sie für die Junioratstreffen angesetzt hat, abgesagt werden mussten, weil die Hauptstraße zwischen Addis und Nekemte blockiert wurde.
Deshalb haben wir auch dieses Treffen hier in Addis angesetzt. Die Schwestern werden hier in Addis auch das äthiopischen Neujahrsfest am Sonntag feiern und wir hoffen, dass sie anschließend sicher zu ihren Konventen zurück kommen.
Nächster Halt: Addis Abeba
Die ersten Kilometer vom Flughafen weg zeigt sich Äthiopien von seiner glitzernden Seite bei Nacht. Bunte Lichter, Werbung, schicke Hotelportale. Doch schon bald fällt auf, dass die Zahl der bewaffneten Soldaten, die überall am Flughafen zu sehen sind, in der Stadt nicht weniger werden. Und dann werden die Lichter weniger bunt und immer häufiger sind Menschen zu entdecken, die dich unter Kartons oder Säcken ihr Nachtlager bereit machen.
Eine Stunde dauert es ungefähr bis wir das Seminarhaus der Diözese Nekemte erreichen, auf dessen Gelände sich auch das Schwesternhaus befindet. Hier sind wir die nächsten Tage zu Gast.
Fließendes Wasser gibt es schon seit zwei Jahren nicht mehr. Der Brunnen ist versiegt. An einem Tag in der Woche füllt die Regierung die Tanks. Dann werden überall große Fässet gefüllt. Das Wasser muss dann eine Woche reichen. Zumindest zum Waschen und als Toilettenspülung.
Doch was für ein Luxus im Vergleich zu den Menschen, die heute Nacht auf der Straße unter einem Stück Karton oder einer Plastikplane schlafen.
Der große Tag…
…war dann plötzlich da.
Nach zehnjähriger Vorbereitungszeit!
Gestern wurde also feierlich die Provinz Mbinga “erhoben” und die bisherige Regionalleitung wurde zur Provinzleitung ernannt.
Damit geht eine größere personelle und finanzielle Selbständigkeit einher Dazu gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen unter den Schwestern. Wie immer bei solch einschneidenden Veränderungen. Aber wir haben lange darauf hingearbeitet und die Zeit ist reif.
Gestern dann wurde vor allem ausgiebig gefeiert. Die Eindrücke sind so vielfältig. Es war ein fröhliches, wenn auch nicht ausgelassenes Fest.
Irgendwie der Situation angemessen. Vor allem aber war es ein Fest des Dankes.
Tansanisch wallfahren
Am Donnerstag begannen dann die eigentlichen Festvorbereitungen. Und wir brauchen gemeinsam zu einer Wallfahrt auf einen der Berge rund um Mbinga auf.
Singend und betend ging es den Berg hoch. Während der Weg immer steiler wurde und der Atem kürzer, hatten unsere tansanischen Mitschwestern immer noch Energie und Luft zum Singen. Irgendwann wurde das Singen zur Motivation für den Anstieg.
Stolz und glücklich oben angekommen, zog uns der Wind ziemlich kalt um die Ohren und wir hofften schon bald auf einen kurzen Gottesdienst und dann zurück nach Hause zum warmen Tee.
Doch so schnell ging es nicht. Nach einem langen Impuls zur Besinnung wurde die Möglichkeit zur Beichte angeboten und dann erst folgte der Gottesdienst mit einer 45minütigen Predigt.
Irgendwie war es ein besonderes Eintauchen in eine völlig andere Kultur und wir wurden dann doch noch mit Sonne bei unserem Rückweg belohnt und kamen aufgewärmt und zufrieden zurück.