Erste Abschiede

Abschiede sind nicht mein Ding… ganz schlecht… und so versuche ich mich irgendwie davon zu stehlen oder zu vertrösten. Tja, nach fünf Monaten überschlagen sich irgendwie die Ereignisse. Auf einmal geht alles sehr schnell. Heute war ich das letzte Mal in St. Katharina.
Alfa, Simon und Vincent haben sich prächtig entwickelt. Vincent scheint inzwischen Langeweile zu haben, schließlich ist er jetzt schon ein ganz Großer und will beschäftigt werden. Damas und Luise sind seit zwei Wochen im Kindergarten und kommen relativ spät am Tag total kaputt zurück. Alfa hat sich richtig tapfer ins Leben gekämpft. Manches hat sich stabilisiert. Trotzdem – ohne die Unterstützung der beiden Freiwilligen aus Deutschland, Melanie und Kerstin, könnten die Schwestern die Arbeit nicht bewältigen.
Nur Evans macht mir Sorgen. Beide Zwillinge hatten Malaria, aber Emilia hat es prima weggesteckt und gedeiht prächtig. Ihr Zwillingsbruder Evans dagegen lag heute ganz kraftlos in meinem Arm. Sein Husten hört sich schrecklich an. Doch einen Kinderarzt gibt es nicht in Mbinga. Während ich mir große Sorgen mache, merke ich, wie die Schwestern auch bei Evans damit leben, dass die Entscheidung für das Leben noch nicht gefallen ist, dass auch sein Leben in Gottes Hand liegt…, dass für Zwillinge das Risiko, die ersten Lebensmonate nicht zu überleben, hoch ist… Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass niemand mit Evans kämpft – für ihn kämpft, außer Melanie und Kerstin. Wie schwer es ist, ihn und die anderen zurück zu lassen…
Aber nicht nur von den Kindern musste ich mich heute verabschieden. Auch vom Bischof – unser Abschlussgespräch war gut und ich denke, wir sind einen guten Schritt weiter gekommen und haben eine sichere und vertrauensvolle Basis für die weitere Zusammenarbeit.
Schlagwörter: Mbinga, St. Katharina
Liebe Schwester Anna-Luisa,
ich bin froh, Ihren Bericht aus Tansania im Internet gefunden zu haben und verfolgen zu können. Auf diese Weise kann ich die für mich vollkommen neuen Erfahrungen, die ich bei meinem Besuch in Tansania und auch bei Ihnen in Mbinga gemacht habe, weiter “verarbeiten”, so das von Deutschland aus überhaupt geht. Unser gemeinsamer kleiner Ausflug mit den vier Kindern, die wir auf den Rücken gebunden hatten wie afrikanische Mütter (Vincent war dabei und das kleine Mädchen, das die Schwestern immer bevorzugten, und ein drittes Baby, und die wunderbare Maria-“Mele”, die alles so selbstverständlich mit den Kleinen teilte, was wir ihr im Café zu trinken kauften) – der bleibt mir so eingebrannt im Gefühl, dass ich täglich daran denke. Die Zwillinge vor allem, von denen Sie hier nochmals erzählen und deren Überlebenschancen Sie in diesem Brief so unterschiedlich beurteilen, beschäftigen mich ununterbrochen. Ich hatte ja gesehen, wie wenig es bedurfte, um in Evans die Lebensgeister zu wecken, wenn man sich eine Weile mit ihm beschäftigte, ihn massierte, streichelte, mit ihm sprach (er verstand ja mein Deutsch, weil er noch keine Sprache spricht) – und täglich hoffe ich, dass Kerstin oder Melanie oder eine der schwarzen Schwestern, die man versprochen hatte zur Verstärkung nach St.Katharina zu schicken, sich Mühe mit ihm geben und sich Zeit für eine individuelle Pflege für ihn nehmen. Auch seine kleine Schwester hätte es so nötig, ein bisschen häufiger aus ihrem schwülen dunklen Bettchen gehoben und ans Licht geragen zu werden. Mir geht es wie Ihnen, dass ich mich sehr schwer nur von den Kindern trennen konnte und nun ständig darüber nachdenke, wie man ihnen besser helfen könnte, auch der Maria “Mele”, die so dringend schon etwas vorschulische Förderung brauchen könnte und nicht nur zu vielen kleinen Dienstleistungen für die Kleinsten gebraucht werden sollte.
Wie können Sie von Untermarchtal aus darauf hinwirken, wie die Dinge in Mbinga (und an den anderen Missionsorten, von denen ich hier in ihrem Bericht erst so recht erfahren habe) weiterlaufen? Ich werde zumindest mitlesen, was Sie schreiben und bedanke mich für Ihren Bericht herzlich. Ich wünsche Ihnen Kraft für alle Ihre großen Aufgaben! Herma Nitsche