About Sr. Anna-Luisa

Visionen

Bei unserem heutigen Treffen mit den Schwestern stand das Thema Zukunft im Mittelpunkt. Neben dem Arbeiten an der gemeinsamen Vision für die Gemeinschaft stand auch das Thema Wahl des Regionalrats auf dem Programm.

Wieder einmal haben wir um Verständigung gerungen, gemeinsam nach dem Verbindenden gesucht. Wieder einmal haben wir erfahren, wie groß die kulturellen Unterschiede  sind, wie mühsam wir nach dem Gemeinsamen suchen. Wieder einmal bin ich gespannt, wo uns Gottes Wege hinführen.

Großer Festtag

Der heutige Tag stand ganz unter dem Zeichen unseres Ordensgründer, des heiligen Vinzenz. Ausgiebig und ausgelassen wurde gefeiert, mit Gottesdienst, Tänzen, Vorführungen und Festessen… Tief verbunden mit der weltweiten vinzentinischen Familie und den Mitschwestern daheim staunten wir über die tansanische Art zu feiern. Und doch war es mehr in dieser Reihe an ausgefüllten und ab Erfahrungen reichen Tagen. Es war wie ein Einschnitt, ein Festtag, der zum Innehalten einlud.

Die Zusammenfassung will ich heute fromm wagen… Vielleicht weil im Hymnus der heutigen Vesper, wie in einem Brennglas fokussiert, die Situation und Erfahrung des Tages beschrieben und vor Gott getragen wird:

Wir haben viel gesehen, Herr,
was brachliegt und nach Hilfe ruft.
Wir sahen Not, wir sahen Leid,
wir spürten große Einsamkeit.

Erleuchte du die dunkle Welt
und tröste, heile, richte auf.
Gib uns zu neuer Liebe Kraft,
hilf unsrer Schwachheit wieder auf.

Dann können wir dich unbeschwert
verehren, großer, starker Gott,
und loben mit dem Sohn im Geist,
der alles neu erschaffen wird. Amen.

(Bernardin Schellenberger)

Goldrausch in Dar Pori

Die heutige Fahrt zu den Stationen Tingi und Mpepo hat alle bisherigen schlechten Straßenverhältnisse, Staub und blauen Flecken getoppt. Die Entschädigung war, dass wir das erste Mal in Dar Pori waren.

Der Traum vom schnellen Geld hat die Menschen nach Dar Pori gebracht. Stolz wurden uns kleine Goldnuggets gezeigt. Für eine offizielle und professionelle Schürfung reicht es wohl nicht aus. So schürfen die Menschen auf eigene Faust und eigenes Risiko. Die Auslagen auf dem Markt und die Größe der Ansiedlung deuten darauf hin, dass ein wenig Geld in die Stadt gekommen ist…

Aber mit dem Geld kam auch Kriminalität, Drogen, Prostitution und HIV. Die Hütten versinken in der Regenzeit in Schlamm und Müll. Die HIV-Infektionsrate der in Mpepo bei den Schwestern Gebärenden liegt bei fast 25 Prozent.  Und die Armut hat hier noch mal ein völlig anderes Gesicht als an den Orten, die wir bisher gesehen haben. Es sind die herumstreunenden Kinder, die öffentlichste Prostitution von sehr jungen Mädchen, zu gedröhnte Jugendliche und eine seltsame Spannung in der Luft. In meinem Kopf werden Bilder aus einem Italowestern wach und ich warte auf Charles Bronson, der mit der Knarre um die Ecke kommt.

Müll in Dar pori

Müll in Dar pori

Der Priester aus Mpepo, zu dessen Pfarrei Dar Pori gehört, erzählt später auch von Bandenkriegen, Schutzgelderpressung und Raubüberfällen. Und er berichtet, dass weiter im Busch (wir dachten weiter geht gar nicht mehr), neue Goldvorkommen gefunden wurden und neue Menschen angezogen werden, ihre Heimat zu verlassen, um dort das große Glück zu finden.

Ankunft in Mbinga

Ein herzliches Willkommen ...

Ein herzliches Willkommen …

mit Tanz in Mbinga

mit Tanz in Mbinga

Nun sind wir in Mbinga angekommen… Unterwegs haben wir in der Benediktinerabtei Peramiho Schlösser für die Türen des Gästehauses abgeholt. Deutsche Wertarbeit, auf die Sr. Lea seit November schon wartet. Und wir brauchten ein Röntgenbild im dortigen Hospital von einer Hand und die Beruhigung, dass nichts gebrochen ist, um gut weiter zu fahren. Zwischen Röntgenbild und Diagnostik durch den Arzt lagen sieben Stunden, in denen wir weniger geduldig als die anderen Patienten und ihre Angehörigen gewartet haben. Eine interessante Erfahrung und die Möglichkeit zu guten Begegnungen ergaben sich so ganz unvermutet. Außerdem konnten wir ausprobieren, ob es stimmt, dass wenn man wartet und nichts geschieht, man nicht altert. In dieser Haltung warten scheinbar Tansanier… Mein Spiegel kann diese These jedoch nicht bestätigen.

Nach einer guten Nachricht durch den Arzt, fuhren wir nach Kigonsera, wo uns ein großer Empfang bereitet wurde. Doch auch das wurde beim Einzug ins Regionalhaus in Mbinga noch getoppt. Tänze, Gesänge, Feuerschlucker und Girlanden wurden zu Ehren der Gäste – leider schon im Dunkeln – dargebracht.

Für heute sind wir einfach erst mal froh, dass wir gut hier angekommen sind.

Zukunft in Tansania

Neben den Besuchen im neuen Waisenheim St. Katharina und im Heim für Kinder mit Behinderungen Loreto beschäftigt mich vor allem unser Gespräch mit dem Bischof von Mbinga. Überall drehte es sich um das Thema Zukunft.

Im Waisenheim war es Maria, die vor drei Tagen aus dem Kindergarten gebracht wurde. Die alte, fast blinde Oma ist nicht mehr fähig, für die fünfjährige Maria zu sorgen. Maria hatte die ganzen Füße voller Sandwürmer und konnte nicht mehr laufen. Nun geht es darum, eine Perspektive für Maria zu entwickeln. Fürs Waisenhaus ist sie eigentlich schon zu alt.

In Loreto haben wir kurz auch die Kinder angeschaut, die dringend operiert werden sollten, weil ihre Missbildungen mehr oder weniger reparabel sind – und doch fehlt es an allem: am Arzt, am Geld, an der Nachbehandlung…

Im Gespräch mit dem Bischof bezüglich der Zukunft der Gemeinschaft kamen wir auf die politische Situation im Lande zu sprechen. Und er berichtete über die dramatische Landgrabbing-Aktion hier in der Region. Schon seit vielen Jahren arbeiten die Kleinbauern der Diözese gemeinsam mit der Diözese Würzburg mit einem Fairhandel-Kaffee-Projekt. Doch jetzt wurde eine riesige Kaffeefarm in der Nähe aufgebaut. Ganze Dörfer wurden vom ihrem angestammten Land vertrieben, Wasserrechte wurden ignoriert unter anderem z.B. den Benediktinerinnen von Chipole buchstäblich das Wasser abgegraben. Doch besonders dramatisch ist, dass die Kleinbauern vom vermeintlich sicheren Lohn angelockt werden, ihre Farm aufgeben und für 2000 TSH am Tag auf der Kaffeefarm arbeiten. 2000 TSH am Tag reicht nicht um eine Flasche Bier zu kaufen, geschweige denn eine Familie zu ernähren.

In manchen Dörfern nimmt die Situation Auswirkungen an, die den Bischof im Hinblick auf die lange Tradition des fair gehandelten Mbingakaffee traurig stimmen. Er sieht die Weiterführung des Projektes gefährdet und kämpft einsam und verlassen gegen die großen Kaffeefarmer, die korrupte Regierung und die Ignoranz oder Müdigkeit der Menschen.

Auf den Spuren der Missionare

Wieder fahren wir noch in der Dunkelheit durch den afrikanischen Busch, überall brennen Buschfeuer, teilweise bis nahe an die Hütten und die Straße, naja, die Piste, auf der wir wieder einmal kräftig durchgeschüttelt werden. Heute Abend werden wir den vielen roten Staub wieder mit der Eimerdusche aus den Haaren und den Kleidern waschen.

Und doch wissen wir heute wieder, dass schon ein Eimer warmes Wasser zum Duschen Luxus sein kann.

Die Menschen in Mkenda laufen mehr als vier Kilometer zum Fluss, um Wasser zu holen.

Mkenda, die neue Station an der Grenze zu Mosambique haben wir heute besucht. Und dort gab es ein großes Fest. Sechs Kinder wurden getauft.

Sr. Maria Goretti, Sr. Margret und Sr. Shada haben in den letzten Jahren wirkliche Aufbauarbeit geleistet. In diesem – von der Welt vergessenen – Landstrich haben sie mit der Kindergartenarbeit und einer Erste-Hilfe-Station in einfachen Bambushütten begonnen. Inzwischen steht das Fundament der Dispensary. Auf Nachfragen erklärt Sr. Margret, dass sie noch keine Entbindungsklinik bauen, weil die Frauen “in den Busch gehen” zum Entbinden. Das Vertrauen der Schwestern in die Kunst der traditionellen Heiler ist gering. Sie berichten von einer hohen Mütter- und Säuglingssterblichkeit. Auch hier sind die Erstgebärenden oft gerade mal zwölf Jahre alt. Zur Zeit leben zwei dieser jungen werdenden Mütter bei den Schwestern. Immer wenn wir nach den Vätern fragen, heißt es “Hamna” – keine. Scheinbar gibt es weniger Väter als Mütter in dieser Welt…

Völlig überrascht waren wir, dass auch fünf Kinder inzwischen im Schwesternhaus leben. Kinder, die einfach bei den Schwestern eingezogen sind, weil sie daheim nicht erzogen werden, so die Begründung der Schwestern. Sicher sind die Kinder so zahlreich und die Armut in manchen Familien so groß, dass das Schwesternhaus in seiner Einfachheit eine Alternative zu sein scheint. Nun muss also dringend eine Art Internat gebaut werden.

Doch erst nach der Fertigstellung der Dispensary.

Übrigens stehen die Maislaster nach wie vor vor der Lagerhalle, es werden täglich mehr und heute sahen wir, dass sich das Problem zurückstaut. Inzwischen liegen die Maissäcke auch in den Dörfern auf dem Land an den Sammelstellen auf Haufen herum und können nicht mehr abtransportiert werden. Wenn man dann noch weiß, dass viele Bauern so sehr auf das Geld angewiesen sind, dass sie oft mehr Mais verkaufen, als es ihre eigene Versorgung zulässt, wird es unerträglich! Heute hat uns auch noch jemand erzahlt, dass die Regierung kein Geld hat, weil sie die Wahlen im nächsten Jahr vorbereiten müssen. Hoffentlich sind das nur Gerüchte… Schlimm genug!

Safari nach Ligera und Ligunga

Es ist schon dunkel und wir sind noch unterwegs, trotz gutem Fahrer schüttelt’s uns dank der Schlaglöcher auf der Piste gut durch.

Der Tag war voller Begegnungen und Eindrücken. Wieder will ich zwei Episoden herausgreifen.

In Ligunga kamen wir gegen 13 Uhr in den Kindergarten, eigentlich ein schöner Kindergarten mit einem kleinen Spielplatz, den die Kinder uns begeistert vorführten. Zwei Kinder lagen abseits im Schatten, wirkten erschöpft, müde, krank – fast apathisch. Auf unser Nachfragen stellte sich heraus, dass sie Hunger hatten. Sie warteten auf ihre erste Mahlzeit am Tag. Bewusst wird sie so spät verteilt, weil die Kinder dann erst wieder am Abend daheim etwas zu essen bekommen. In der Gegend sind die Familien so arm, dass viele Kinder nur eine Mahlzeit daheim erhalten, der Becher Maisbrei im Kindergarten wird deshalb hungrig herbei gesehnt.

In Ligunga treffen wir neben den Kindern im Kindergarten und den Schülerinnen in der Haushaltungsschule ungefähr 50 Mädchen im Internat an.

Mädchen, die auf die öffentliche Grundschule gehen, aber das Internat besuchen, um so vor einer Heirat vor Beendigung der Grundschule geschützt zu werden. Die Mädchen sind zwischen 8 und 13 Jahren!!! Im Gespräch mit den Schwestern erfahren wir, dass in dieser Gegend Initiationsriten mit  weiblicher Genitalverstümmelung trotz Verbot noch Tradition haben. Nach der “Beschneidung” im Alter von 8 bis 12 Jahren kann das Mädchen verheiratet werden. Die Zeit im Internat bietet einen gewissen Schutzraum für die Mädchen.

Uns bewegen die Erfahrungen und das Engagement der Schwestern sehr.

Sonntag in Ruhuwiko

Heute stand ein ruhigerer Tag auf dem Plan… Sonntag halt, Sonntag in Ruhuwiko. Und doch war es ein besonderer Sonntag, weil es der Vorabend des Namenstag von Sr. Lintrud war. Für die Kinder in Ruhuwiko bedeutete das viel Vorbereitung, vielleicht hatten sie nicht immer Lust dazu. Aber heute Abend waren sie einfach richtig stolz und glücklich. Ihre Tanzvorführungen zu Ehren des Namenstags faszinierten durch ihre Akrobatik, das Körpergefühl und die tiefe innere Freude am Tun. Faszinierend wie sie sich trotz Hörschädigung organisieren und gemeinsam zu solcher Leistung fähig sind. Zum Beispiel beginnt der Vortänzer mit einem eigenen inneren Rhythmus, dann nehmen die Trommeln den Rhythmus auf und die anderen Tänzer fallen ein.

Mal sehen, wie morgen der Namenstag weiter gefeiert wird…

Die Wasserstelle in Matimira und der Stau vor dem Maislager der Regierung

Zwei Situationen des heutigen Tages:

Direkt vor Ruhuwiko gibt es schon seit über einer Woche einen Stau vor dem Maislager der Regierung. Lastwagenweise transportieren die Kooperativen der Kleinbauern hier ihre Maisernte an. Eigentlich wollte die Regierung die Überproduktion im Süden des Landes aufkaufen, um für Hungersnöte Mais vorrätig zu haben. Denn in etlichen Landesteilen hat es so lange geregnet, dass die Ernte verdorben ist oder es war viel zu trocken und die Ernte fiel aus. Die Bauern hier im Süden haben eine gute Ernte und haben sich auf die Versprechen der Regierung verlassen und bringen nun ihren Mais, um ihn dort zu verkaufen. Doch leider hat die Regierung gerade kein Geld!!! Nun verteilen sie Gutscheine, aber die wenigsten wollen sich auf Gutscheine oder Schuldscheine verlassen, zu oft haben sie schlechte Erfahrungen gemacht und gingen dann leer aus. Jetzt stehen also viele Lastwagen vor dem Lager und warten darauf, dass die Regierung ihnen den Mais abkauft und zwar mit realen Tansanischen Schillingen. Doch ewig können sie nicht warten. Die LKWs sind teuer, der Mais bekommt schnell Ungeziefer, wenn er nicht anständig gelagert wird, die Bauern müssen zurück…. Wir sind gespannt, wie diese Geschichte ausgeht.

Die zweite Erfahrung, die uns nachdenklich macht:

In Matimira wurde eine Wasserpumpe vor ein paar Jahren mitfinanziert. Nun sehen wir überrascht die Kinder weiterhin Wasser holen und den Berg hinauf schleppen. Am Wasserloch wird auch nach wie vor gleichzeitig gewaschen. Auf unser Nachfragen erfahren wir, das Wasser, das ins Dorf hoch gepumpt wird, reicht nur für das Pfarrhaus, das Schwesternhaus und den Kindergarten. Der Diesel für die Pumpe ist viel zu teuer für das Dorf. So werden die Kinder, vor allem die Mädchen, auch in Zukunft das Wasser auf dem Kopf den Berg hoch tragen, wenn niemand eine Idee hat und die Initiative zeigt, die Situation zu verbessern.

Und was ist hier nun unser Auftrag? Haben wir überhaupt noch einen Auftrag? Das sind die Fragen, die uns hier täglich beschäftigen…

Kinder

Der Tag begann mit Begegnungen mit den bei der Verbandsvisite in Ikonda vor Schmerzen weinenden Kindern und endet mit den hörgeschädigten Kindern, die uns in Ruhuwiko begrüßen. Kinder, die so früh schon vor besondere Herausforderungen gestellt sind und in deren Augen ganze Geschichten zu lesen sind – und vor allem ganz viel Sehnsucht nach Geborgenheit und Nähe.

Dazwischen lagen über 300 km – inzwischen durch die klimatischen Bedingungen – relativ schlechte Straßenverhältnisse, ca. 1500 Höhenmeter und viele Eindrücke von Land und Leuten.

Die Schwestern in Ruhuwiko haben uns herzlich aufgenommen, hier werden wir für drei Nächte sesshaft werden und von hier aus die Stationen in der Diözese Songea besuchen. Doch jetzt sind wir einfach froh und dankbar, dass wir gut angekommen sind.