Welten
Wenn man das geschäftige und chaotische Treiben der Innenstadt verlässt und Richtung Meer auf eine der Landzungen fährt, die den natürlichen Hafen des Friedens, wie Dar Es Salaam eigentlich heißt, bildet, kommt man in die Welt der Reichen und scheinbar Wichtigen. Ob sie auch schön sind, kann ich leider nicht beurteilen, denn außer den Torwächtern, Straßenkehrer und Gärtner sind keine Menschen zu sehen. Sie leben hinter hohen Mauern auf dem Osterbay, dem Diplomatenviertel. Wir machen aus der Fahrt an den Coconutbeach ein Spiel und versuchen, die Flaggen der Botschaften zu erkennen und über die Zäune und Mauern einen Blick auf die Pools, Tennisplätze und Parks zu ergattern.
Heute sind wir dieser fremden Welt einmal ein wenig direkter begegnet. Mitten drin wohnt – falsch – “residiert” der Botschafter des Heiligen Stuhls, der sogenannte Nuntius, zur Zeit ein kirchlicher Diplomat aus Philippinen. Im Frühjahr ist er bei einem Bombenanschlag anlässlich seines Besuchs zu einer Kirchweihe in Arusha unversehrt davon gekommen, während um ihn herum Menschen starben.
Seinen Sekretär aus Deutschland haben wir abgeholt und sind mit ihm zum Essen gegangen. Neben interessanten Gesprächen zur politischen und kirchenpolitischen Lage in Tansania waren natürlich auch unsere Anliegen Thema: wie können wir die Schwestern stärken für eine zukünftige weitreichendere Selbstständigkeit?
Und das ALLES bei 31 Grad, unter Palmen!!!
Goldgräberstimmung
Was auf dem Foto an die Vorplanung einer Beachparty erinnert, waren stundenlange Diskussionen über die aktuellen Herausforderungen mitten im tansanischen Busch. Die Armut, der Bildungsnotstand, die Ausweg- und Hoffnungslosigkeit der Menschen in Mkenda ist eine riesige Herausforderung für die drei äußerst aktiven Schwestern.
Es gelang uns sogar Prioritäten zu setzen, eine Reihenfolge zu erstellen, welche Vorhaben angegangen werden. So muss als allererstes das Wasserproblem gelöst und der Kindergarten in unser Sternsingerprojekt aufgenommen werden, damit die Kinder eine Mahlzeit täglich erhalten. Die Schwestern haben schon erlebt, dass die Kinder ihren Abfall und das Hühnerfutter nach Essbarem durchsuchen.
Außerdem wartet die Dispensary auf die Fertigstellung.
Als wir soweit waren, kamen dann die ganz aktuellen Sorgen auf den Tisch. Seit Wochen kommen immer wieder Menschen einer auswärtigen Organisation und untersuchen den Boden. Scheinbar wurden auf dem Grundstück der Schwestern Mineralien gefunden. Sr. Maria Goretti spricht von Gold! Inzwischen macht irgendjemand auch nachts Probegrabungen. Das bedeutet, die Schwestern haben aktuell doppelt Angst, einmal um ihre eigene Sicherheit. Außer drei Hunden haben sie nicht mal ein abschließbares Haus. Aber sie fürchten auch, dass ihnen das Grundstück weggenommen wird. Und da stellt sich plötzlich heraus, dass die Grenzsteine für das Grundstück aus Geldmangel noch nicht gesetzt wurden. Tja, so schnell werden Prioritätenlisten auf den Kopf gestellt.
Jetzt geht es also erst einmal um die Sicherung des Grundstücks – schließlich steht dort ein Schwesternhaus, eine unfertige Dispensary und eine Hütte für den Kindergarten. Das wollen die Schwestern nicht so schnell wieder aufgeben.
Gerechter Lohn
Immer wieder beginnen wir über das Thema “Gerechter Lohn” zu diskutieren.
Auf allen Stationen sind Mitarbeiter beschäftigt, als Lehrer, als Mitarbeiter im Gesundheitswesen, auf der Farm, im Kindergarten, in der Küche… Und überall ist das Geld knapp und die Not der Bedürftigen größer als die der Mitarbeiter.
Die Regierung zahlt die Gehälter der Lehrer und je nach Profession, die der Mitarbeiter in den Hospitälern und Dispensarien, zumindest meistens und oft auch vollständig. Doch auch für die Lehrer wird es schwierig, mehrere Kinder auf die Sekundarschule zu schicken, geschweige denn für die Tagelöhner auf der Farm mit einem durchschnittlichen Monatslohn von 40 Euro, wenn das Schulgeld zwischen 300 und 600 Euro liegt. Vielen Arbeitern hat man mit Stipendien für die Kinder geholfen. Selbstverständlich erhalten sie täglich eine warme Mahlzeit. Doch unter “gerechtem Lohn” verstehen wir etwas anderes. Was bedeuten die Grundsätze der Katholischen Soziallehre in einer anderen Kultur, vor einem anderen gesellschaftlichen Hintergrund, einer anderen Geschichte? Und so machen wir uns auf die Suche nach Veröffentlichungen von Gewerkschaften und der Kirche in Tansania und fordern immer wieder zur Diskussion auf, denn nur so kann Sensibilität für ein wichtiges Thema entstehen.
Budgetplanungen
Wie Handlungsreisende sind wir nun von Station zu Station unterwegs und versuchen den Segen einer vorausschauenden Haushaltsplanung anzupreisen und beispielhaft für das nächste Jahr durchzuplanen. Dabei stoßen wir an viele aktuelle Nöte und zukünftige Herausforderungen.
Im letzten Jahr zum Beispiel war das Team der Dispensary in Mpepai auf einem so guten Weg. Sie hatten es geschafft, Fördermittel von der Regierung zu erhalten, weil der Bedarf an mehr Krankenhausbetten in der Region so groß ist. Und der Neubau der Stationen stand schon. Sr. Hyazintha war so zuversichtlich und voller Energie. Als wir nun gestern kamen, waren wir doch überrascht. Sie kamen nur in kleinen Schritten weiter. Plötzlich gab es kein Geld mehr vom Staat, Eigeninitiative war angesagt. Für die zementierten Wege zwischen den Stationen haben sie z.B. Mandazi (frittiertes Gebäck) verkauft. Jetzt fehlen noch ca. 5.000 Euro zur Fertigstellung und 4-5.000 Euro für die Ausstattung.
Und wieder stellt sich die Frage, wie lange reicht die Geduld aus, um dem Staat so lange auf die Nerven zu gehen, bis das versprochene Geld kommt. Und, wer wohl wirklich unter der Situation am meisten leidet.
Diese Frage ist für Sr. Hyazintha schnell gelöst. Am meisten leiden die kranken Kinder. Vor allem die Kinder, die durch die häufigen Malariaerkrankungen an Blutarmut leiden. Viele, so Sr. Hyanzintha, haben sie in den letzten Monaten verloren.
Projektplanung
Am Thema Projektplanung haben wir uns heute beim Schwesternmeeting abgearbeitet. Am Ende des Tages stellt sich wieder die Frage, ob wir uns so verständigen konnten, dass wir ungefähr wissen, wovon die andere spricht, wenn sie von Projekten, Institutionen und Organisationen spricht. Am Beispiel: Bau eines Krankenhauses haben wir Ziele formuliert und die Schwächen und Stärken der Idee versucht zu analysieren. Es gab ernüchternde aber auch bereichernde Momente. Beeindruckt hat vor allem Sr. Lea, wie klar sie die Anforderungen und Erwartungen der Patienten an ein solches Hospital formulieren konnte. Am Ende war aber allen klar, dass ein weiter Weg noch vor uns liegt.