Auf dem Heimweg
Vor einer Stunde kam die Nachricht, dass Sr. Lintrud, Sr. Kaja und Superior Briemle gut in Dar gelandet sind. Den ersten Teil der Heimreise haben Sie gut überstanden und sitzen nun schwitzend in Kurasini auf der Terrasse und sortieren bei einem Bier (Kilimanjaro oder Safari) die Erlebnisse. Morgen fliegen sie über Dubai zurück nach Deutschland. Unsere Gebete und Grüße fliegen mit.
Sr. Lucia und ich sind dagegen nach Mbinga zurück gekommen. Sr. Lucia als Driver!
Alltag wird aber auch bei uns nicht so schnell einkehren. Am Sonntag brechen wir nach Iringa zum Kisuaheli-Sprachkurs auf, Sr. Lucia für Fortgeschrittene, ich werde zu den Anfängern kommen. Es macht mich jetzt schon ganz ungeduldig, dass ich so langsam lerne. Das wird eine heftige Herausforderung!
Die Berichte werden voraussichtlich kürzer werden, schließlich soll sich niemand langweilen. Doch im Moment ist alles noch so offen und Pläne sind in Tansania dazu da, um gekippt zu werden.
Würde
Anneliese war heute Morgen eine der Ersten, die zum Gottesdienst und der Nachfeier des Vinzenzfest ins Regionalhaus kam. Eigentlich werden am Vinzenzfest immer die Armen der Umgebung, die die Schwestern besuchen, eingeladen, bewirtet und beschenkt. Das wurde wegen der Visitation nun auf heute verlegt.
Eine interessante Erfahrung, die Fragen und Überraschungen hinterlassen hat. Eine der schönen Begegnungen war die mit Anneliese… Sie ist eine der „Armen“ und sie hat sich auf den heutigen Tag gefreut. Früh am Morgen hat sie den mühsamen Weg auf sich genommen, sie läuft auf ihren Händen, mit einem Flipflop an der einen Hand! Und dabei strahlt sie solch eine Würde und Gelassenheit aus, die mir sicher nicht mit meinen besten Schuhen gelingt. Leider beschränken sich meine Sprechversuche auf minimale Fragen und Floskeln, aber Anneliese war sehr geduldig mit mir und hat gewartet, bis ich meine Worte zu Sätzen zusammen gesucht hat und hat mich dabei nach Kräften unterstützt.
Ruhe- und Packtag
Der letzte Tag – ein Ruhe- und Packtag! Sr. M. Lintrud, Sr. Kaja und Superior Briemle brechen morgen auf, deshalb stand heute ein ruhigerer Tag auf dem Programm. Kurze Besuche in der Dispensary St. Vinzenz, dem Nazareth-College und der Armenspeisung in Bethanien waren möglich. Alfons, ein blinder Gast in Bethanien, wird auf dem Foto von Sr. Arcadia versorgt.
Auch in St. Vinzenz und im Nazareth-College trafen wir Bautätigkeiten und erfolgreiche Weiterentwicklung der Institutionen an.
Gleichzeitig wächst der Eindruck, dass es von Tag zu Tag wärmer wird. Während der Rest der Reisegruppe Koffer gepackt hat, habe ich mich mit dem Waschen von Hand versucht. Vermutlich fragen sich die tansanischen Schwestern, wie ich so lange überlebt habe. Dunkel kommen mir irgendwelche Erziehungsmaßnahmen meiner Mutter, die nach vielen Jahren Vollversorgung mit Waschmaschine und Trockner eigentlich in der Versenkung verschwunden waren. Zum Beispiel “Buntwäsche hängt man nie in die pralle Sonne!” Habe ich versucht, aber die Sonne war schneller als ich. Nun sieht mein oranges Schlafshirt ziemlich blass aus… Naja, jetzt habe ich Zeit und Möglichkeit, solche Dinge zu lernen! Für die anderen heißt es dagegen: Aufbrechen – nach Hause!
Lundumato
Lundumato war die letzte Außenstation auf unserem Besuchsprogrammm. Vier Schwestern versuchen dort ihr Leben mit den Menschen zu teilen. Lundumato liegt zwischen der fruchtbaren Kaffeeregion um Maguu und Litembo auf dem Weg zum Nyassasee. Klimatisch ist es schon richtig heiß wie am See, nur der Boden ist sehr steinig. Die Kaffeepflanzen sehen aus wie die armen, durstigen und kranken Brüder derer, die im Hochland um Maguu wachsen.
Wieder einmal ist die Dispensary das Problemkind der Station. Aufgrund des Geldmangels bleiben die Patienten weg – und damit auch das Geld! Sr. Bakhita trägt die Verantwortung allein, was sie auch nach über zwei Jahren mit Ängsten erfüllt. Ihr eigenes Gehalt als registrierte Krankenschwester und Hebamme muss genutzt werden, um die Gehälter der Hilfskräfte zu zahlen und für die Instandhaltung… Für einen Konvent mit vier Schwestern wird das manchmal zum Problem.
Wasser ist Luxus
Die Fahrt zum Bau des Gästehauses in Mbambabay und zur Schwesternstation Makwai brachten keine neue Erkenntnisse. Beide Projekte, der Bau des Gästehauses und der Entbindungsklinik in Makwai werden ab nächsten Monat neu aufgerollt. Hoffentlich gelingt es so, die Bauprojekte mit Hilfe von Experten aus Deutschland gut abzuschließen. Wie wir dann das laufende Geschäft bewältigen wollen, muss sich noch zeigen.
Unsere Fahrt dorthin war jedoch die Krönung des bisher Erlebten. Welche Motivation zur Auswahl des Autos beigetragen hat, weiß ich nicht! Auf jeden Fall sind die Stoßdämpfer im Laufe der Jahrzehnte verschwunden und die Fenster ausgerechnet auf der Fahrerseite lassen sich nicht mehr schließen. Bei unserer Rückkehr waren wir völlig eingestaubt. Die Haare einen Rotstich, die Haut im Gesicht gespannt… die Augenlider lassen sich kaum öffnen und fühlen sich nach zu viel und zu altem Lidschatten an… die Flimmerhärchen der Atmungsorgane schwer am Arbeiten… Unsere Kleider so dreckig wie nie…
Dann ist sogar eine Dusche in einer alten Missionsbadewanne Luxus pur. Vor allem wenn man unter dem laufenden warmen Wasser an die Menschen aus den Hütten am Wegrand denkt, die für jeden Eimer Wasser große Anstrengung aufnehmen. Wasser ist der absolute Luxus! Auch am Nyassasee, wo es aussieht wie auf der Postkarte oder dem Werbefilm…
Visionen
Bei unserem heutigen Treffen mit den Schwestern stand das Thema Zukunft im Mittelpunkt. Neben dem Arbeiten an der gemeinsamen Vision für die Gemeinschaft stand auch das Thema Wahl des Regionalrats auf dem Programm.
Wieder einmal haben wir um Verständigung gerungen, gemeinsam nach dem Verbindenden gesucht. Wieder einmal haben wir erfahren, wie groß die kulturellen Unterschiede sind, wie mühsam wir nach dem Gemeinsamen suchen. Wieder einmal bin ich gespannt, wo uns Gottes Wege hinführen.
Großer Festtag
Der heutige Tag stand ganz unter dem Zeichen unseres Ordensgründer, des heiligen Vinzenz. Ausgiebig und ausgelassen wurde gefeiert, mit Gottesdienst, Tänzen, Vorführungen und Festessen… Tief verbunden mit der weltweiten vinzentinischen Familie und den Mitschwestern daheim staunten wir über die tansanische Art zu feiern. Und doch war es mehr in dieser Reihe an ausgefüllten und ab Erfahrungen reichen Tagen. Es war wie ein Einschnitt, ein Festtag, der zum Innehalten einlud.
Die Zusammenfassung will ich heute fromm wagen… Vielleicht weil im Hymnus der heutigen Vesper, wie in einem Brennglas fokussiert, die Situation und Erfahrung des Tages beschrieben und vor Gott getragen wird:
Wir haben viel gesehen, Herr,
was brachliegt und nach Hilfe ruft.
Wir sahen Not, wir sahen Leid,
wir spürten große Einsamkeit.
Erleuchte du die dunkle Welt
und tröste, heile, richte auf.
Gib uns zu neuer Liebe Kraft,
hilf unsrer Schwachheit wieder auf.
Dann können wir dich unbeschwert
verehren, großer, starker Gott,
und loben mit dem Sohn im Geist,
der alles neu erschaffen wird. Amen.
(Bernardin Schellenberger)
Goldrausch in Dar Pori
Die heutige Fahrt zu den Stationen Tingi und Mpepo hat alle bisherigen schlechten Straßenverhältnisse, Staub und blauen Flecken getoppt. Die Entschädigung war, dass wir das erste Mal in Dar Pori waren.
Der Traum vom schnellen Geld hat die Menschen nach Dar Pori gebracht. Stolz wurden uns kleine Goldnuggets gezeigt. Für eine offizielle und professionelle Schürfung reicht es wohl nicht aus. So schürfen die Menschen auf eigene Faust und eigenes Risiko. Die Auslagen auf dem Markt und die Größe der Ansiedlung deuten darauf hin, dass ein wenig Geld in die Stadt gekommen ist…
Aber mit dem Geld kam auch Kriminalität, Drogen, Prostitution und HIV. Die Hütten versinken in der Regenzeit in Schlamm und Müll. Die HIV-Infektionsrate der in Mpepo bei den Schwestern Gebärenden liegt bei fast 25 Prozent. Und die Armut hat hier noch mal ein völlig anderes Gesicht als an den Orten, die wir bisher gesehen haben. Es sind die herumstreunenden Kinder, die öffentlichste Prostitution von sehr jungen Mädchen, zu gedröhnte Jugendliche und eine seltsame Spannung in der Luft. In meinem Kopf werden Bilder aus einem Italowestern wach und ich warte auf Charles Bronson, der mit der Knarre um die Ecke kommt.
Der Priester aus Mpepo, zu dessen Pfarrei Dar Pori gehört, erzählt später auch von Bandenkriegen, Schutzgelderpressung und Raubüberfällen. Und er berichtet, dass weiter im Busch (wir dachten weiter geht gar nicht mehr), neue Goldvorkommen gefunden wurden und neue Menschen angezogen werden, ihre Heimat zu verlassen, um dort das große Glück zu finden.
Ankunft in Mbinga
Nun sind wir in Mbinga angekommen… Unterwegs haben wir in der Benediktinerabtei Peramiho Schlösser für die Türen des Gästehauses abgeholt. Deutsche Wertarbeit, auf die Sr. Lea seit November schon wartet. Und wir brauchten ein Röntgenbild im dortigen Hospital von einer Hand und die Beruhigung, dass nichts gebrochen ist, um gut weiter zu fahren. Zwischen Röntgenbild und Diagnostik durch den Arzt lagen sieben Stunden, in denen wir weniger geduldig als die anderen Patienten und ihre Angehörigen gewartet haben. Eine interessante Erfahrung und die Möglichkeit zu guten Begegnungen ergaben sich so ganz unvermutet. Außerdem konnten wir ausprobieren, ob es stimmt, dass wenn man wartet und nichts geschieht, man nicht altert. In dieser Haltung warten scheinbar Tansanier… Mein Spiegel kann diese These jedoch nicht bestätigen.
Nach einer guten Nachricht durch den Arzt, fuhren wir nach Kigonsera, wo uns ein großer Empfang bereitet wurde. Doch auch das wurde beim Einzug ins Regionalhaus in Mbinga noch getoppt. Tänze, Gesänge, Feuerschlucker und Girlanden wurden zu Ehren der Gäste – leider schon im Dunkeln – dargebracht.
Für heute sind wir einfach erst mal froh, dass wir gut hier angekommen sind.
Zukunft in Tansania
Neben den Besuchen im neuen Waisenheim St. Katharina und im Heim für Kinder mit Behinderungen Loreto beschäftigt mich vor allem unser Gespräch mit dem Bischof von Mbinga. Überall drehte es sich um das Thema Zukunft.
Im Waisenheim war es Maria, die vor drei Tagen aus dem Kindergarten gebracht wurde. Die alte, fast blinde Oma ist nicht mehr fähig, für die fünfjährige Maria zu sorgen. Maria hatte die ganzen Füße voller Sandwürmer und konnte nicht mehr laufen. Nun geht es darum, eine Perspektive für Maria zu entwickeln. Fürs Waisenhaus ist sie eigentlich schon zu alt.
In Loreto haben wir kurz auch die Kinder angeschaut, die dringend operiert werden sollten, weil ihre Missbildungen mehr oder weniger reparabel sind – und doch fehlt es an allem: am Arzt, am Geld, an der Nachbehandlung…
Im Gespräch mit dem Bischof bezüglich der Zukunft der Gemeinschaft kamen wir auf die politische Situation im Lande zu sprechen. Und er berichtete über die dramatische Landgrabbing-Aktion hier in der Region. Schon seit vielen Jahren arbeiten die Kleinbauern der Diözese gemeinsam mit der Diözese Würzburg mit einem Fairhandel-Kaffee-Projekt. Doch jetzt wurde eine riesige Kaffeefarm in der Nähe aufgebaut. Ganze Dörfer wurden vom ihrem angestammten Land vertrieben, Wasserrechte wurden ignoriert unter anderem z.B. den Benediktinerinnen von Chipole buchstäblich das Wasser abgegraben. Doch besonders dramatisch ist, dass die Kleinbauern vom vermeintlich sicheren Lohn angelockt werden, ihre Farm aufgeben und für 2000 TSH am Tag auf der Kaffeefarm arbeiten. 2000 TSH am Tag reicht nicht um eine Flasche Bier zu kaufen, geschweige denn eine Familie zu ernähren.
In manchen Dörfern nimmt die Situation Auswirkungen an, die den Bischof im Hinblick auf die lange Tradition des fair gehandelten Mbingakaffee traurig stimmen. Er sieht die Weiterführung des Projektes gefährdet und kämpft einsam und verlassen gegen die großen Kaffeefarmer, die korrupte Regierung und die Ignoranz oder Müdigkeit der Menschen.