Zeit in Peramiho
Endlich war in Peramiho einmal genügend Zeit und Möglichkeiten nicht nur mit Margaretha, der weltwärts-Freiwilligen ihren neuen Arbeitsplatz im Labor anzuschauen, sondern auch die Schwestern an ihren Ausbildungsplätze zu besuchen. Sr. Inviolata und Sr. Salome machen zur Zeit eine Schneiderlehre und Sr. Maria Vianney kann nun endlich eine fundierte Ausbildung als Elektrikerin machen. Sie ist so glücklich über diese Chance. Jahrelang hat sie die Turbine in Maguu versorgt und gepflegt. Jetzt endlich kann sie sich manche Zusammenhänge besser erklären.
Allerdings haben alle drei ziemlich abgenommen. Auf meine Nachfrage erfahre ich, dass es jeden Tag Ugali und Bohnen gibt, am Sonntag ein wenig Fleisch. Zum Gemüse- und Obstessen müssen sie in die Ferien ins Regionalhaus. Und trotzdem sind sie zufrieden mit ihrem Schülerinnendasein.
Inzwischen sind wir in Ruhuwiko. Der Feiertag und die momentan stattfindende Abstimmung zum Verfassungsreferendum erfordern Spontanität. Aber dazu später mehr.
Gut angekommen!!!
In Peramiho! Der Benediktinerabtei in der Nähe von Songea. Dorthin hat eine unserer Freiwilligen gewechselt und uns gestern Abend auch gleich in Empfang genommen.
Zwischendrin, so kurz nach der Hälfte der Strecke machte das schicke Peramihoauto plötzlich Zicken. Joel, unser Fahrer, hatte Mühe das Lenkrad fest zu halten. Irgendetwas klapperte verdächtig. Als wir dann mit vereinten Kräften entdeckten, dass sich irgendein (unwichtiger?) Deckel nicht mehr schließen ließ, fuhren wir beruhigt weiter und Joel hielt ab und zu an, lief mit dem Schraubenzieher ums Auto, zog irgendwelche Schrauben an den Rädern an und fuhr wieder weiter.
Und trotzdem kam keine Panik auf, solch ein tansanisches Luxusauto kann einfach keine Probleme machen. Man könnte meinen, Männergemeinschaften in Tansania haben eine größere Affinität zu ihren Autos. Einfach tiptop der Fuhrpark in Peramiho im Vergleich mit den Klapperkisten in Mbinga. Statussymbole gibt’s in Mbinga keine!
Eine Werkstatt unterwegs aufsuchen, ist fahrlässig. Meist fehlen hinterher wichtige Teile bzw. wird neu gegen alt getauscht. Oft ist das, was defekt ist, repariert und dafür etwas anderes kaputt. Aber wir hatten ausreichend Schutzengel und haben die lange Etappe gut hinter uns gebracht.
Abschied nach über 50 Jahren
1964 kam Alt-Abt Lambert nach Tansania. 1976 wurde er Abt der Benediktinerabtei Peramiho. 2006 gab er dieses Amt ab und nun wird er nach über 50 Jahren nach Deutschland zurückkehren. In dieser Zeit wurde aus Tanganijka und Sansibar die Vereinigte Republik Tansania, aus der Diözese Peramiho entstanden zuerst die Diözesen Songea und Njombe, dann Mbinga; wurden von Peramiho aus Klöster in Kenia gegründet und 1980 afrikanische Brüder aufgenommen.
Die ganze Zeit aber herrschte eine enge Verbindung zwischen unserer Gemeinschaft und den benediktinischen Brüdern und Schwestern in Peramiho. Auf die Einladung des Vorgängers von Abt Lambert, Abt Eberhard Spieß kamen schließlich unsere Schwestern erst nach Tansania. Vor allem in den ersten Jahrzehnten halfen die Benediktiner bei vielen Projekten mit ihrem Knowhow und ihrer langjährigen Erfahrung im Land. Heute ist Peramiho vor allem als Ausbildungsstätte für viele Schwestern ein wichtiger Ort für die Gemeinschaft. Aber auch heute noch erhalten wir jeder Zeit Unterstützung und Gastfreundschaft in Peramiho.
Deshalb war es selbstverständlich, dass auch wir die Gelegenheit nutzen wollten um uns zu verabschieden, Abt Lambert zu danken und ihm für den nächsten Lebensabschnitt Gottes Segen zu wünschen. Natürlich wurde auf tansanische Weise gefeiert. „Leider“ regnete es das erste Mal richtig heftig und langanhaltend. In einem heftigen Gewitter sind wir fast die ganze Strecke nach Peramiho geschwommen. Doch dank der Teerstraße ist das ja inzwischen kein Problem mehr und war auch für meine dritte Linksverkehr-Safari als Driver zu bewältigen. Doch bei solch einem Regen gehen die Tansanier nicht unbedingt zu einem Fest. Denn während es regnet, wird man während der ersten Minuten klatschnass und wenn er nachlässt, muss man eigentlich sofort aufs Feld um zu hacken. So wurde vermutlich ein Rind umsonst geschlachtet und einige Eimer zu viel Reis gekocht. Aber das wird spätestens heute verteilt. Allzu viele Reste wird es heute Abend nicht mehr geben.
Abt Lambert scheint mit Dankbarkeit aber auch mit Fragen, einem wachen Verstand und einem weisen und weiten Herzen nach Deutschland zurück zu kehren. Er lässt viel zurück. Was uns Vinzentinerinnen bleibt, ist sicher Dankbarkeit für diese Jahre, die Kraft und die Liebe, die er in das Land und die Menschen investiert hat.
Mitten im Leben – der Tod
Nachdem die kurze Zeit in Untermarchtal vom Sterben und dem Tod älterer Mitschwestern gekennzeichnet war, begann auch die Zeit hier in Mbinga mit einer Beerdigung. Der 37-jährige Noviziatsleiter der Benediktinerabtei Peramiho wurde am Montag zu Grabe getragen.
Unter strahlender Sonne standen wir mit vielen Menschen auf dem Friedhof in Peramiho und zeigten so den Benediktinern von Peramiho unsere Anteilnahme und verstärkten die Gebetsgemeinschaft.
Wie immer war ich bewegt von der Gastfreundschaft und der Geschwisterlichkeit, die in diesen schweren Situationen hier in Tansania zu erfahren ist.
Die Rituale rund um das Sterben und den Tod strengen mich in ihrer Emotionalität sehr an. Diese Mischung aus Bekanntem, aus der europäischen religiösen Tradition Kommenden und den Ritualen aus der tansanischen Kultur spricht Dimensionen des Lebens an, die wir in Deutschland schon längst ausgeklammert haben, die bei uns inzwischen tabuisiert sind, die ich vielleicht in ähnlicher Form noch aus Erzählungen meiner Großeltern kenne. Der Tod wird so viel stärker Teil des Lebens – natürlicher Teil des Lebens!
Und doch wird getrauert – auf eine Art getrauert, die ich als anstrengend erlebe, die aber vermutlich reinigend wirkt. Lautstark und expressiv, fast demonstrativ wird die Trauer und der Schmerz um den Verlust nach außen geschrien. Menschen weinen, schreien, werfen sich zu Boden… trauern mit ihrem ganzen Körper, dem ganzen Sein… oft Tag und Nacht… bis das Grab geschlossen ist. Niemand verlässt auch den Friedhof, bis das Grab geschlossen ist… doch dann widmet man sich wieder dem Leben, geht zum Essen und freut sich an der Anteilnahme der vielen Gäste, die alle zum Leichenmahl geladen sind.