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Reisetag nach Ruhuwiko (Gastbeitrag: Dr. T. Broch)

Heute ist Abschied von Mbinga, zumindest vorübergehend, denn in der kommenden Woche kommen wir noch einmal hierher, um endgültig Adieu zu sagen. Es gibt noch Gelegenheit zum Einkauf im Laden der Haushaltsschule, Sr. Kaja führt durch Garten und Feld, vom Turm des Wasserreservoirs kann das Kloster von oben fotografiert werden. Dann wird das Gepäck auf dem Dach des Landrovers verstaut, und eine erste schöne Etappe der Reise geht zu Ende. Am Abend wollen wir in Ruhuwiko sein, einer Station des Ordens mit einer großen Gehörlosenschule, einem Gästehaus und einem 18-köpfigen Schwesternkonvent.

Zunächst jedoch führt der Weg ins Bischofshaus von Mbinga, wo uns Bischof John Chrisostom Ndimbo zum Gespräch erwartet. Er ist als zweiter Bischof der 1986 neu errichteten Diözese Mbinga seit 2011 im Amt. Zwei Anliegen, die uns auf dieser Reise mehrfach begegnet sind, trägt Sr. Anna-Luisa ihm vor: zum einen die geplante Versetzung der Schwestern in den Dispensarien – vier Schwestern der Vinzentinerinnen würde diese Maßnahme betreffen –, zum anderen die Planungen bezüglich der Health Centres. Zum ersten Problem gibt sich Bischof John zuversichtlich. Er kämpfe dafür, dass die Schwestern bleiben können, betont er mehrfach. Noch an diesem Tag sei in der Diözese ein Gespräch dazu. Im Übrigen betreffe dies keineswegs das ganze Land, sondern lediglich die Region Mbinga, und auch dort werde es nicht von der gesamten Administration verfolgt. Was die Health Centres angeht, so sei vorgesehen, für jeweils vier oder fünf Dörfer ein solches Zentrum zu errichten bzw. vorhandene Dispensarien hoch zu stufen. Die Verantwortung für deren Errichtung und damit auch die finanzielle Last werde an die katholische Kirche abgetreten. Aber, so wird zu diesem Punkt vereinbart, man wolle diese Frage bei den nächsten Begegnungen Punkt für Punkt angehen.

Dann führt der Weg auf der Hauptstraße zwischen Mbinga und Dar es Salaam in nordöstlicher Richtung aus dem Matengo-Hochland hinaus. Die Landschaft wird nach und nach flacher, das fruchtbare grüne Hochland wird von trockenerem Buschland abgelöst.

Nächste Etappe ist Kigonsera, etwas abseits der Hauptstraße über eine unbefestigte Straße zu erreichen. Kigonsera besteht als älteste Pfarrei der Diözese Mbinga seit etwa 100 Jahren und wurde von den Benediktinern aus Peramiho erbaut – in der typischen benediktinischen Bauweise. Heute gehört die Pfarrei der Diözese und beherbergt u. a. ein Katechisten-Seminar, das bereits auf den ersten Blick völlig heruntergekommen wirkt. Sr. Hekima aus der Vinzentinerinnengemeinschaft in der Station gehört zu den Lehrkräften.

In der Schwesternstation werden wir einmal mehr herzlich empfangen und gastfreundlich bewirtet. Sr. Mwombezi, die uns vor einigen Tagen in Mbinga beim Geldwechseln behilflich war, leitet den Konvent, zu dem neben der bereits genannten Sr. Hekima die Schwestern Digna, Daniela, Maria Regina und Jeska gehören.

Der erste Besuch gilt dem Kindergarten, in dem wir von 90 Mädchen und Jungen erstaunt und etwas scheu begrüßt werden. Dann führt der Rundgang weiter zur Klinik, in der derzeit 30 Patientinnen stationär und etwa 17 oder 18 täglich ambulant behandelt werden. Wir sehen den Kreißsaal, in dem jeden Tag drei oder vier Babys entbunden werden, also rund 1.000 im Jahr, und auch den OP. Etwa 900 HIV- und Aids-Patienten werden im Hospital behandelt. Zuständig ist dafür ein staatliches Programm namens CTC – es ist uns schon öfter begegnet –, das sich in den Kliniken einmietet, ambitionierte Personalvorgaben macht und eine Gebühr für die Nutzung der Klinikräume bezahlt, aber keine Gehälter. Dr. Moses, ein 27 Jahre junger Arzt, begrüßt uns in seinem Ordinationszimmer. Er ist der einzige Arzt hier, und es bestünde durchaus Bedarf nach einem weiteren Kollegen; aber den können sich die Schwestern angesichts der Einnahmen der Klinik nicht leisten. Die meisten Patienten sind arm.

Auf der weiteren Route, auf der uns Sr. Mwombezi jetzt begleitet, lassen wir linker Hand das Dorf Ruanda mit seinen Kohleminen und den weithin sichtbaren Abraumhalden liegen. Die Vinzentinerinnen beliefern die Mine mit in Flaschen abgefülltem Mbinga-Wasser, das auch für uns überall auf dem Tisch steht. Dann passieren wir eine riesige Kaffee-Plantage mit großen, modernen Produktionsgebäuden, die sich links und rechts der Straße über mehrere Kilometer hinzieht. Sie gehöre einem Firmenkonsortium mit Sitz in Shanghai, erklärt Sr. Anna-Luisa. Auch ein künstlicher Stausee wurde für die Bewässerung wurde angelegt. Damit habe man den Schwestern auf der nahe gelegenen Station buchstäblich das Wasser abgegraben. Die einstigen Bewohner wurden für den Verlust ihres Grund und Bodens geringfügig entschädigt. Mit dem wenigen Geld kauften sich viele ein Piki-Piki, wie man die Kleinmotorräder hier nennt, die oft als Taxis genutzt werden. Dann war das Geld bald weg. Arbeitsplätze – das Versprechen, mit denen solche Projekte immer und überall schmackhaft gemacht werden – sind nicht entstanden. Wenn sie Glück haben, können die Menschen während der Kaffee-Ernte als Tagelöhner arbeiten. Man sieht es den Siedlungen, in denen noch viele alte, mit Stroh gedeckte Häuser stehen, an, dass die Menschen hier sehr arm sind.

Die Fahrt führt durch die Provinzhauptstadt Songea weiter nach Namabengo mit einer Station der Vinzentinerinnen und einem Hospital der Erzdiözese Songea, in der Sr. Ida aus dem Konvent arbeitet. Sie wird uns durch die Klinik führen, aber zuvor werden wir in allen Ehren von den Dorfbewohnerinnen empfangen, die für uns mit beachtlichem Temperament singen und tanzen, begleitet vom Rhythmus zweier Trommler. Die Klinik selbst, so erfahren wir, war bis vor kurzem in einem katastrophalen baulichen Zustand. In einem Projekt des Ordens wurden dann dringend erforderliche Gebäudereparaturen vorgenommen und neue Matratzen angeschafft. Heute ist die Immobilie wieder in einem Zustand, der einen geordneten Klinikbetrieb erlaubt. Der Bedarf, den die beiden hier tätigen Mediziner und insgesamt zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bewältigen haben, erfordert dies auch. Zwar sind an diesem Tag nur fünf Patientinnen und Patienten hier, aber vor allem in den Monaten Oktober bis Mai warten jeden Tag rund 45 Menschen mit allen möglichen Krankheiten darauf, behandelt zu werden, etwa 800 im Monat. Unter anderem wird auch hier das staatliche Aids-Programm CTC durchgeführt. Die beiden Ärzte, so erfahren wir, werden vom Staat bezahlt, fünf der übrigen Mitarbeitenden stehen auf der Gehaltsliste der Erzdiözese Songea. Dass sie bislang keine Entlohnung gesehen haben, macht die großen Schwierigkeiten deutlich, in denen dieses Bistum steckt.

Inzwischen sind auf einer kleinen Anhöhe im Freien vor dem Hospital Stühle aufgestellt worden, Ehrenplätze, auf der wir Gäste Platz zu nehmen gebeten werden. Der Frauen-Tanz-Chor wartet schon darauf, dass wir das Gebäude verlassen, um uns wieder stimmgewaltig zu empfangen. Der leitende Arzt dankt den Vinzentinerinnen von Untermarchtal für ihre Unterstützung, ohne die die Klinik ihre Tätigkeit nicht hätte fortführen können. Sr. Anna-Luisa ihrerseits betont, wie wichtig es für den Orden sei, den Menschen hier zu besseren Lebensbedingungen zu verhelfen. Immer wieder werden die Ansprachen von lautem Jubel der Zuhörer aus dem Dorf unterbrochen, die uns dann einer Prozession zum Schwesternhaus begleiten, wo uns neben Sr. Ida Sr. Hifadhi, die im Kindergarten arbeitet, die Köchin Sr. Fidea sowie Sr. Hilda, die neben der Hauswirtschaft auch die Farm versorgt, begrüßen und bewirten. Auch der Gemeindepfarrer stößt dazu und bedankt sich für die Unterstützung. Unterwegs hatte noch eine junge Frau die Gelegenheit genutzt, Sr. Anna-Luisa und Harald Geißler auf Schwierigkeiten mit ihrer Beinprothese anzusprechen. Unter reger Anteilnahme der umstehenden Kinder und Erwachsenen wird der Fall besprochen und Abhilfe zugesagt. Die junge Frau war früher in Loreto, dem Haus für Kinder und Jugendliche mit körperlichen Behinderungen bei Mbinga, dem schon zu Beginn der Reise unser Besuch gegolten hat. „Ich fühle mich halt für die Loreto-Kinder ein Leben lang verantwortlich“, meint Sr. Anna-Luisa.

Während des gesamten Essens werden wir von draußen mit Trommeln und Gesang gegrüßt, und bei der Abfahrt klingt der Jubel noch lange hinter uns her.

Zurück über Songea, erreichen wir kurz vor 19 Uhr Ruhuwiko, beziehen unsere Zimmer im Gästehaus St. Martin, das im vergangen Jahr eingeweiht worden ist, essen gemeinsam mit den Schwestern des dortigen Konvents zu Abend und verabschieden uns nach kurzem Gespräch zur Nachtruhe. Reisetage sind anstrengend.