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Makwai: Wende zu hoffnungsvollen Aussichten (Gastautor: Dr. T. Broch)

Der Morgen am Nyassa-See hat seinen eigenen Zauber, vor allem einen bezaubernd schönen Sonnenaufgang. Aber die Fischer, die um diese Zeit mit ihren Einbaum-Booten hereinkommen, haben wenig gefangen. Der kräftige Wind verursacht einen starken Wellengang, der das Fischen in den felsigen Uferregionen sehr erschwert. Nach ein paar Tagen wie diesen sind die Fischer, die vom Ertrag eines jeden Tages leben, arm.

Um 9 Uhr fahren wir los, die unbefestigte Straße verläuft auf der Anhöhe über dem See, immer wieder öffnet sich der Blick auf die Buchten und den unendlich weiten Wasserspiegel. Die Anwesen entlang des Wegs wirken in ihrer traditionellen Bauweise malerisch, aber natürlich trügt diese Idylle. Dieser äußerste südwestliche Zipfel Tansanias, vom übrigen Land durch die Berge des Matenga-Hochlands getrennt, mit einer eigenen Ethnie, den Nyassa, und einer eigenen Sprache, wurde lange von der Regierung vernachlässigt und liegt in der Entwicklung noch weiter zurück als das übrige Land. Deshalb wirkt die Gegend noch sehr ursprünglich. Die Menschen sind sehr arm, und was für uns durchreisende Europäer als Idylle erscheint, bedeutet für sie nichts als Mühe ums tagtägliche Überleben. Gleichwohl strahlen sie Lebensfreude aus. Natürlich freuen sich die Kinder und winken den Fremden zu, die durch ihr Dorf fahren, aber sehr oft auch die Erwachsenen.

Unterwegs sehen wir Reisfelder liegen, Menschen arbeiten darin; aber das ist nur ein kleiner Anteil an der landwirtschaftlichen Produktion. Den Hauptteil bilden große Felder mit Maniok-Stauden, deren Wurzeln roh oder als Gemüse das Hauptnahrungsmittel der hiesigen Bevölkerung darstellen.

Nach knapp zwei Stunden sehen wir die Kirche von Makwai liegen, das Ziel dieser Fahrt. Sie wurde mit einem entsprechenden Konvent von den Benediktinern gegründet und liegt – der Siedlungsphilosophie der Benediktiner entsprechend – als „Stadt auf dem Berg“ weithin sichtbar auf einer bewaldeten Anhöhe. Das dazu gehörige Dorf und die Gemeinde Makwai liegen unten in der Ebene, nahe bei den Feldern und Arbeitsstätten der Menschen, weit entfernt von der Kirche, der Station und dem Dispensarium der Vinzentinerinnen, die wir heute besuchen.

Sr. Kafara, die für das Dispensary verantwortlich ist, Sr. Aderita, die in Feld und Garten arbeitet, Sr. Theresia, die die Küche besorgt, und Sr. Agneta, die als Sakristanin die Kirche versorgt – sie leben hier. „Wohnen“ wäre der falsche Ausdruck, denn das der Diözese Mbinga gehörende Schwesternhaus befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. In den Zwischendecken nisten Fledermäuse, deren Kot die Wellblechdecken durchfrisst, in die Zimmer fällt und eines nach dem anderen unbewohnbar macht; Termiten sind dabei, das Mauerwerk zu zerstören. Eine bedrückende Atmosphäre, auch wenn die Schwestern die Schwierigkeit ihrer Lebensumstände in herzlicher Willkommensatmosphäre ein wenig überspielen. Der Gegensatz zwischen der wunderschönen landschaftlichen Umgebung und den Gebäuden ist extrem. Das gilt auch, zumindest von außen betrachtet, für die Pfarrkirche, an die das Schwesternhaus angebaut ist: Ein Blick nach oben fällt auf zerbrochene Fenster und marodes Mauerwerk, der Weg ins Innere führt über viele Stufen einer schadhaften Treppe. Das Innere selbst überrascht freilich: Sehr schön sind ein Keramik-Kreuzweg und ein Altarkreuz mit Emaille-Intarsien. Die schönsten Kunstgegenstände allerdings, ein romanischer Kruzifixus und eine kleine Marien-Statuette aus Ebenholz, sind in einem Winkel im hinteren Bereich der Kirche zwischen Gerümpel versteckt. Es ist ein Jammer.

Sr. Kafara führt uns, während Sr. Anna-Luise, Sr. Martina und Florian Hecke Budgetgespräche führen, durchs Dispensarium – karge Räume, in denen es am Nötigsten fehlt. Vier Räume mit insgesamt acht Betten stehen für Frauen, Männer und Mütter mit Kleinkindern für die stationäre Behandlung zur Verfügung. Sr. Kafara, ein junger Arzt und vier weitere Mitarbeitende versorgen die Patienten. Heute sind es wegen des staatlichen Feiertags nur wenige, aber normalerweise kommen im Monat etwa 150 bis 200 Patientinnen und Patienten hier her, wie uns Sr. Kafara berichtet. Ein ansehnlicher Bedarf also für die Krankenstation, die zu klein ist, um zu einem Health Centre aufgewertet zu werden. Pläne für eine Vergrößerung gibt es schon lange. Mauerfundamente zeugen von einer Maternity, die Sr. Gabriele Winter noch geplant hatte, die aber wegen ihres Unfalltods 2012 nicht mehr zur Umsetzung kam. Auf dem Gelände lagern Ziegel; den Absichten von Sr. Kafara entsprechend soll hier auch einmal eine Mutter-Klinik entstehen. Aber die Finanzierung gestaltet sich schwierig; da die Menschen hier sehr arm sind und für die Behandlung nichts bezahlen können, ist auch die Einkommenssituation der Station problematisch.

Etwas weiter hangabwärts steht der – zweifellos schöne – Rohbau eines Kindergartens für das Dorf, gefördert von einer deutschen Kirchengemeinde. Ob und wann er Kinder wird aufnehmen können, ist derzeit ungewiss. Nicht nur, weil sich die bauliche Fertigstellung hinzieht, sondern auch deshalb, weil der Standort hier oben auf dem Berg für die Kinder des unten gelegenen Dorfs ungünstig ist. Der Weg durch den Wald herauf ist weit, und es gibt viele Schlangen – kein Wunder, dass gegenüber diesem Vorhaben begründete Skepsis besteht.

Unruhe kommt auf. Der Würzburger Weihbischof Ulrich Boom, begleitet von Klaus Veeh, dem für die weltkirchlichen Aufgaben der Diözese Würzburg zuständigen und mit Tansania bestens vertrauten Mitarbeiter, dem Sekretär des Bischofs von Mbinga und weiteren Personen, hat sich zum Besuch angesagt. Die Diözese Würzburg ist mit der Diözese Mbinga verpartnert und unterstützt diese in vielen Projekten und Anliegen. Auf dem Platz vor der Kirche versammeln sich immer mehr Menschen – Frauen lagern auf dem Boden, Schulkinder in ihren Uniformen stehen in großen Gruppen herum, ebenso Männer, von denen einige trommeln; junge Männer fahren mit ihren Piki-Piki hin und her. Auch die Glocken haben schon geläutet, und auf einem überdachten steinernen Podium oben auf den Treppenstufen zur Kirche ist ein High-Table, festlich gedeckt, mit mehreren Stühlen für die Gäste aufgestellt. Eine größere Zeremonie ist zu erwarten. Der Gemeindepfarrer tritt in Erscheinung, zunächst in Zivil, dann in weißer Soutane; er ist etwas irritiert, weil er mit uns nicht gerechnet und uns auch nicht als Festgäste vorgesehen hat. Da die Würzburger Gäste wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen, verabschieden wir uns nach einem gemeinsamen Mittagessen von den Schwestern und nehmen ein bedrückendes Gefühl von Aussichtslosigkeit angesichts ihrer desolaten Verhältnisse mit zurück nach Mbambabay.

Das wird sich am Abend allerdings ändern. Auch die Würzburger Gäste treffen später dort ein, und nach längeren Gesprächen, die Sr. Anna-Luisa mit ihnen führt, wenden sich die Aussichten zum Positiven für die Schwestern, ihr Schwesternhaus und die Krankenstation. Mehr kann an dieser Stelle nicht vorweg genommen werden.