Einsatz für das Leben
Mela ist einer der Zwillinge, der von seinem Vater den langen Weg von Liuli nach Mbinga getragen wurde. Wieder starb eine Mutter direkt bei der Geburt und niemand aus der Großfamilie hatte Milch für Zwillinge – und auch kein Geld für den Bus oder gar ein Taxi für die 50 km lange Strecke. Also trug der Vater kurzerhand die beiden Neugeborenen nach Mbinga. Völlig entkräftet kamen alle drei hier mitten in der Nacht bei den Schwestern im neuen Waisenhaus, St. Katharina an. Da die Nabelschnur nicht mal richtig entfernt wurde, gehen wir davon aus, dass Melas Mutter nicht in einer Maternity entbunden hat. Aber was hilft das Fragen nun?
Mela ist die kräftigere der beiden, sie muss ihrem jüngeren Bruder viel Platz weggenommen haben, er sieht einige Wochen jünger aus. Doch beide haben sich in den letzten zwei Wochen entwickelt.
Doch uns macht die Zukunft von St. Katharina Sorgen. Die Schwestern sind im Moment an der Kapazitätsgrenze angekommen, zumindest wenn nun nicht ein sinnvolles Konzept erarbeitet wird und die Finanzierung sicher gestellt wird. Bei sieben Babys mit Windeln wird es schwierig, dass die Wäsche von Hand gewaschen und im Regen aufgehängt und die Milch in den Kühlschrank ins Regionalhaus gebracht wird. Jetzt brauchen wir erst einmal eine schnelle Lösung für den momentanen Arbeitsaufwand, weil sonst die Kinder nicht angemessen versorgt sind. Dann muss aber Grundsätzliches überlegt werden… wir “deutschen Bedenkenträger” haben das schon vor Monaten eingefordert, doch die “tansanischen Überlebenskünstler” haben die aktuelle Not gesehen und wollten schnelle Abhilfe schaffen. Nun wäre ein guter Zwischenweg zu suchen, mal sehen, ob uns das gelingt.
P.O. Box 76
Jetzt endlich weiß ich, was “P.O.Box 76 Mbinga via Songea, Tanzania” bedeutet und bin dankbar für jeden Brief, der jemals hier ankam. Heute waren wir auf der Post. Übrigens regnet es hier seit Samstag und Deutschland hatte noch ein letztes Sommerwochenende… das Bild zeigt etwas von der trüben Regenstimmung hier. P.O. Box 76 ist leider nicht mehr von außen zu öffnen, der Schlüssel fehlt, ein Ersatzschlüssel ist nicht zu beschaffen. Man muss sich also an die Öffnungszeiten des Postamts halten und ist auf die Gnade der Postbeamtin angewiesen, um an die Post zu kommen.
Tansania hat es bisher nicht geschafft oder es war nicht notwendig, ein System der Postleitzahlen und Straßen einzuführen. Heute nun waren wir Post holen, das heißt, wir haben das Postfach 76 geleert und waren überrascht, was wir alles darin gefunden haben. Mein ganzer Rucksack war voll. Natürlich das Katholische Sonntagsblatt als aktuellste Zeitung hier, aber auch Briefe für alle möglichen Menschen auf den einzelnen Stationen, an denen die Schwestern sind. Die letzten zwei Wochen, in denen Sr. Lucia und ich unterwegs waren und Sr. Kaja in Deutschland ist, hatte niemand an die Post gedacht. Heute nun wurde die Post von uns abgeholt und im Regionalhaus noch mal sortiert, hier warten manche Brief nun darauf, dass irgendwann mal ein Auto zum Beispiel nach Tingi fährt und den Brief an den Katecheten mitnimmt. Da kann man nur hoffen, dass es nichts Wichtiges war.
Doch vielleicht geht es mit den Postleitzahlen so wie mit dem Festnetztelefon. Manche Dinge werden einfach übersprungen. Ein Land, in dem die meisten Menschen sogar zwei Handys haben, braucht man kein Festnetztelefon einführen. Vielleicht werden die Tansanier jetzt beim Emailverkehr voll einsteigen und sich die klassischen Briefträger einfach sparen…
Angekommen
Ankommen in Mbinga bei Wolkenbruch, nach einer Woche zusammen gefalteter Beine in engen Bussen, zwischen Hühnern. Maissäcken und stillenden Mamas sind wir jetzt wieder im Regionalhaus. Sehr dankbar! Denn bis zum Schluss blieb die Reise eine Herausforderung. Unser heutiger Bus brauchte etliche Pausen… Zum Abkühlen und Kühlerwasser nachfüllen… Doch jetzt sind wir da und die Arbeit kann beginnen. Doch morgen ist Sonntag: Kupumsika – Ausruhen ist angesagt…
Heimkehr und Musik
Die Nachricht des Tages ist natürlich, dass Sr. Lintrud, Sr. Kaja und Herr Superior Briemle wieder gut in Untermarchtal gelandet sind.
Eigentlich wollte ich heute noch etwas für die Ohren in den Blog stellen, aber das übersteigt meine PC-Kenntnisse im Moment. Außerdem könnte ich die Vielfalt gar nicht festhalten. Zu manchen Zeiten singt der Muezzin mit den Mädchen der Domestikschule und dem Kirchenchor um die Wette. Besonders am Wochenende! Meine speziellen Freunde sind die Kipapa-Kinder auf dem Bild. Sie treffen sich, glaube ich, täglich so zwischen vier und fünf. Zuerst wird kräftig gesungen und getrommelt, scheinbar wird dann auch immer für den Sonntag geübt. Besonders sympathisch ist mir ein Junge, der nach Herzenslust wunderbar falsch singt, falsch dafür aber schön laut! Und es scheint keinen zu stören, geduldig fangen Schwester Adili oder Schwester Daniela immer wieder von Neuem an, wenn er es geschafft hat, die Truppe umzuwerfen. Anschließend wird es dann aber noch lauter, dann wird der Fußball ausgepackt und der Platz vor meinem Zimmer verwandelt sich zum Fußballfeld.
Am Abend traf ich dann noch Sr. Asteria von St. Katharina. Maria, das sechsjährige Mädchen, liegt mit einer schweren Malaria im Krankenhaus und braucht Blutkonserven. Heute kamen eine Woche alte Zwillinge ins Waisenhaus St. Katharina. Die Mutter verstarb bei der Geburt irgendwo am See. Die Zwillinge wurden von Verwandten gebracht. Der Vater muss erst das Geld aufbringen für den Transport nach Mbinga. Schade, dass wir sie morgen nicht besuchen können. Morgen geht es nämlich nach Iringa zum Sprachkurs.
Würde
Anneliese war heute Morgen eine der Ersten, die zum Gottesdienst und der Nachfeier des Vinzenzfest ins Regionalhaus kam. Eigentlich werden am Vinzenzfest immer die Armen der Umgebung, die die Schwestern besuchen, eingeladen, bewirtet und beschenkt. Das wurde wegen der Visitation nun auf heute verlegt.
Eine interessante Erfahrung, die Fragen und Überraschungen hinterlassen hat. Eine der schönen Begegnungen war die mit Anneliese… Sie ist eine der „Armen“ und sie hat sich auf den heutigen Tag gefreut. Früh am Morgen hat sie den mühsamen Weg auf sich genommen, sie läuft auf ihren Händen, mit einem Flipflop an der einen Hand! Und dabei strahlt sie solch eine Würde und Gelassenheit aus, die mir sicher nicht mit meinen besten Schuhen gelingt. Leider beschränken sich meine Sprechversuche auf minimale Fragen und Floskeln, aber Anneliese war sehr geduldig mit mir und hat gewartet, bis ich meine Worte zu Sätzen zusammen gesucht hat und hat mich dabei nach Kräften unterstützt.
Ankunft in Mbinga
Nun sind wir in Mbinga angekommen… Unterwegs haben wir in der Benediktinerabtei Peramiho Schlösser für die Türen des Gästehauses abgeholt. Deutsche Wertarbeit, auf die Sr. Lea seit November schon wartet. Und wir brauchten ein Röntgenbild im dortigen Hospital von einer Hand und die Beruhigung, dass nichts gebrochen ist, um gut weiter zu fahren. Zwischen Röntgenbild und Diagnostik durch den Arzt lagen sieben Stunden, in denen wir weniger geduldig als die anderen Patienten und ihre Angehörigen gewartet haben. Eine interessante Erfahrung und die Möglichkeit zu guten Begegnungen ergaben sich so ganz unvermutet. Außerdem konnten wir ausprobieren, ob es stimmt, dass wenn man wartet und nichts geschieht, man nicht altert. In dieser Haltung warten scheinbar Tansanier… Mein Spiegel kann diese These jedoch nicht bestätigen.
Nach einer guten Nachricht durch den Arzt, fuhren wir nach Kigonsera, wo uns ein großer Empfang bereitet wurde. Doch auch das wurde beim Einzug ins Regionalhaus in Mbinga noch getoppt. Tänze, Gesänge, Feuerschlucker und Girlanden wurden zu Ehren der Gäste – leider schon im Dunkeln – dargebracht.
Für heute sind wir einfach erst mal froh, dass wir gut hier angekommen sind.
Zukunft in Tansania
Neben den Besuchen im neuen Waisenheim St. Katharina und im Heim für Kinder mit Behinderungen Loreto beschäftigt mich vor allem unser Gespräch mit dem Bischof von Mbinga. Überall drehte es sich um das Thema Zukunft.
Im Waisenheim war es Maria, die vor drei Tagen aus dem Kindergarten gebracht wurde. Die alte, fast blinde Oma ist nicht mehr fähig, für die fünfjährige Maria zu sorgen. Maria hatte die ganzen Füße voller Sandwürmer und konnte nicht mehr laufen. Nun geht es darum, eine Perspektive für Maria zu entwickeln. Fürs Waisenhaus ist sie eigentlich schon zu alt.
In Loreto haben wir kurz auch die Kinder angeschaut, die dringend operiert werden sollten, weil ihre Missbildungen mehr oder weniger reparabel sind – und doch fehlt es an allem: am Arzt, am Geld, an der Nachbehandlung…
Im Gespräch mit dem Bischof bezüglich der Zukunft der Gemeinschaft kamen wir auf die politische Situation im Lande zu sprechen. Und er berichtete über die dramatische Landgrabbing-Aktion hier in der Region. Schon seit vielen Jahren arbeiten die Kleinbauern der Diözese gemeinsam mit der Diözese Würzburg mit einem Fairhandel-Kaffee-Projekt. Doch jetzt wurde eine riesige Kaffeefarm in der Nähe aufgebaut. Ganze Dörfer wurden vom ihrem angestammten Land vertrieben, Wasserrechte wurden ignoriert unter anderem z.B. den Benediktinerinnen von Chipole buchstäblich das Wasser abgegraben. Doch besonders dramatisch ist, dass die Kleinbauern vom vermeintlich sicheren Lohn angelockt werden, ihre Farm aufgeben und für 2000 TSH am Tag auf der Kaffeefarm arbeiten. 2000 TSH am Tag reicht nicht um eine Flasche Bier zu kaufen, geschweige denn eine Familie zu ernähren.
In manchen Dörfern nimmt die Situation Auswirkungen an, die den Bischof im Hinblick auf die lange Tradition des fair gehandelten Mbingakaffee traurig stimmen. Er sieht die Weiterführung des Projektes gefährdet und kämpft einsam und verlassen gegen die großen Kaffeefarmer, die korrupte Regierung und die Ignoranz oder Müdigkeit der Menschen.
Verbundenheit
Mitten in unser Schwesternmeeting hinein erreicht uns die Nachricht vom Tod zweier Mitschwestern in Untermarchtal. Vor allem der schreckliche Unfalltod von Sr. Constantia schockt uns alle. Selbstverständlich solidarisieren sich die tansanischen Schwestern mit uns im Gebet. Immer wieder kommt jemand zum “Pole”-sagen. “Pole” ist das Wort, in das die Tansanier all Ihr Mitgefühl und ihre Anteilnahme legen können, viel einfacher und ursprünglicher als unsere deutschen Beileidbekundungen. Morgen wird Father Binoit die Messe für die Mitschwestern lesen, so werden wir mit Untermarchtal verbunden sein.
Pause für Sr. Coletta und Sr. Hyazintha
Zwischendrin hatten wir alle heute immer wieder ein kurze Pause verdient. Ungefähr 60 Schwestern kamen heute zu unserem Schwesternmeeting. Manche konnten aufgrund der Regenzeit nicht kommen, andere waren Tage unterwegs…
Aber es hat sich hoffentlich für viele gelohnt. Irgendwie kam eine sehr offene Auseinandersetzung mit durchaus kontroversen Meinungen zustande. Stolz berichteten die Schwestern von kleinen Erfolgen seit unserem letzten Meeting. Trotzdem wurde allen heute klar, dass wir noch viele Schritte vor uns haben. Und so wagen wir morgen zuversichtlich den nächsten Schritt.