Safari
Nachdem es in der letzten Woche doch einige Tage stark geregnet hat, haben wir seit unserem Ausflug an den See sehr heißes und trockenes Wetter gehabt. Das gab uns die Möglichkeit gestern noch mal eine längere Safari zu machen, das Wasserenergieprojekt der Chipole-Schwestern in Tulila zu besuchen und mit dem dortigen Initiator die nächsten Schritte für unser Projekt zu besprechen. Das trockene Wetter machte es möglich, dann sogar noch nach Mpepai zu fahren. Dort konnten wir Sr. Hyasintha endlich das Geld für die Betten für das Health Center übergeben. Sie war so glücklich über die Überraschung. Allerdings steht schon wieder die nächste Herausforderung an. Die Regierung hält den Vertrag zur kostenlosen Mutter-Kind-Behandlung nicht ein. Das bedeutet, sie bleiben nun ständig auf den Kosten sitzen. Nun musste die Diözese den Vertrag kündigen – in der Hoffnung wieder einen neuen Vertrag abschließen zu können, der dann vielleicht für einige Zeit eingehalten wird… Im Augenblick ist die Situation für die Mütter jedoch eine Katastrophe. Erst vor wenigen Tagen musste eine Frau mit Risikoschwangerschaft (Zwillinge) nach Mbinga ins Regierungshospital geschickt werden. Aus Geldmangel lief sie die lange Strecke zu Fuß und schaffte es nur noch in das Health Center von Sr. Avelina, wo sie völlig erschöpft beide Kinder tot gebar und kaum überlebte. Manchmal ist es einfach unerträglich, dieses Wirrwarr aus unerfüllten und unerfüllbaren Versprechungen der Regierung und bürokratischen Regeln auszuhalten, die die Schwestern bei der Arbeit eher hindern.
Dass wir dann unterwegs immer mal wieder ein Stück aus dem Motorraum unseres alten Benz verloren, beunruhigt uns eher weniger. Hauptsache das Auto fuhr weiter. Wir waren gedanklich viel zu beschäftigt mit den Herausforderungen des Überlebens.
Flucht vor den Bienen
Seit Tagen werden wir immer wieder auf wilde Bienenschwärme aufmerksam gemacht – naja, eigentlich eher gewarnt. Zuerst hing ein Schwarm direkt über dem Eingang der Halle, in der wir die Stimmen ausgezählt haben; dann am Baum vor der Haustür. Wir hörten uns verschiedene Fluchtgeschichten an, wurden über Verhaltensstrategien informiert und waren irgendwie überrascht über die Ängste.
Heute in Loreto wurde es dann auf einmal wirklich brenzlig – und das nachdem heute Vormittag schon beim Rasenmähen direkt vor dem Haus eine ziemlich große Schlange zuerst ihr Versteck verlor – und dann auch noch ihr Leben….
Die Kinder von Loreto waren alle im Hof, um uns zu begrüßen und sich an den mitgebrachten Süßies zu freuen, als die Kinder plötzlich auf den Bienenschwarm aufmerksam wurden. Plötzlich brach regelrecht Panik aus. Jemand rief, dass sich alle im Haus verstecken sollen. Und innerhalb kürzester Zeit schnappten sich die Schwestern jeweils sehr zielsicher eines der Kinder, die nicht laufen konnten, andere wurden von größeren Kinder auf den Arm genommen, es war wie einstudiert – vor allem die Solidarität untereinander, sodass innerhalb kürzester Zeit der Hof leer geräumt war, alle Kinder im Haus waren und nur die verwaisten Rollstühle zurück blieben. Und dann war der Schwarm Bienen auch schon mitten im Hof.
Inzwischen hat das neue Schuljahr begonnen und neue Kinder kamen nach Loreto. Scheinbar können alle “Neuen” ganz eigene Geschichten erzählen. Da ist Mele, eines der ehemaligen Kinder von St. Katharina, die wirklich richtig traurig aussieht und St. Katharina und die anderen Kinder sehr vermisst. Gladness wiederum, sagt von sich, sie sei sechs Jahre alt. Ihre Hände und Füße deuten jedoch ein höheres Alter an. Gladness verbrachte die ersten Jahre ihres Lebens versteckt im Haus. Seit sie jetzt Mitte Januar nach Loreto kam, hat sie gelernt einige unsichere Schritte zu gehen. Und sie ist so herrlich stolz darauf. Auch Kasimir wurde bisher im Dorf versteckt. Seine Schwester ist wegen eines Handicaps in St. Loreto. Sie war es, die die Schwestern auf ihren Bruder, der in Folge seines Handicaps nicht zur Schule gehen konnte oder durfte, aufmerksam gemacht hat. Nun wurde er aus “seinem Versteck” geholt. Aber auch er hat noch einen weiten Weg vor sich. Im Moment bewegt er sich hüpfend mit einem Stock vorwärts. Wie gut wäre es, wenn die Kinder eine systematische Physiotherapie bekommen könnten. Körperspannung, Muskelaufbau, Koordinationsfähigkeit etc. könnte wirklich über manche Folgen der Vernachlässigung und Mangelernährung hinweg helfen…
Der Traktor für die Kinder
So lange hatte Sr. Luitfrieda in Ilunda auf einen neuen Traktor gewartet. Jetzt ist er endlich da und sie kann ihn gar nicht nutzen. Sr. Luitfrieda hat mit ihren Arbeitern auf der Farm von Ilunda für den Anbau der Nahrungsmittel für das Kinderdorf gesorgt. Der alte Traktor musste im letzten Jahr endgültig verschrottet werden. Irgendjemand schlug Sr. Luitfrieda vor, mit zwei Eseln statt Traktor in Zukunft die Farm zu bewirtschaften. Das lehnte sie jedoch rigoros ab.
In der Prokura hat es dann ein wenig gedauert, bis wir eine mögliche Finanzierung gefunden hatten und vor allem, bis der Traktor endlich per Container verschifft werden konnte. In der Zwischenzeit ist Sr. Luitfrieda krank geworden – ernsthaft chronisch krank. Die eigentliche Herausforderung für den Traktor begann – wie meistens – beim Eintreffen im Hafen von Dar. Trotz aller Bemühungen stand er wieder einige Tage im Containerhafen – vermutlich zu lange, damit nicht die Dinge verloren gehen bzw. verschwinden, die nicht irgendwie richtig fest mit dem Traktor verbunden sind. Zum Beispiel das Werkzeug, um die Reifen zu wechseln, das Benutzerhandbuch, die Gewichte um den Traktor zu beschweren – sogar der Schlüssel fehlte und der Pflug. Unglaublich! Ä- immer wieder aufs Neue dieser Schwund im Containerhafen.
Ärgerlich, aber vermutlich nicht zu ändern. Wichtig ist jedoch, dass der Traktor inzwischen in Ilunda ist und die Schwestern glücklich sind. Auch wenn Sr. Luitfrieda auf Grund ihrer Erkrankung nicht mehr mit dem Traktor arbeiten wird, ist es doch ihr zu verdanken, dass die Feldarbeit zum Wohl der Kinder in Ilunda ein wenig leichter wird.
In Ilunda angekommen
Völlig durchgeschüttelt kamen wir heute in Ilunda an. Doch die Bilder und Eindrücke auf der Fahrt durchs Land entschädigen für die zusammengestauchten Bandscheiben und Sitzfläche. Der asiatische Kleinbus scheint mit Holzbänken als Sitzen ausgestattet zu sein und seit Monaten gibt es hier eine ewig lange Baustelle – oder wie auch immer man das nennen soll – es war auf jeden Fall mal eine Teerstraße und soll mal wieder eine werden. Zur Zeit erinnert es nur noch zwischen Schlaglöchern und halb fertiggestellten Baustellenabschnitten an eine ehemalige Straße. Im November gab es dazu eine Umleitung, eine total verstaubte Sandpiste, auch das war nicht schön, aber weniger gefährlich als diese Slalomrennen der Busse und LKWs zwischen den Schlaglöchern durch.
Und doch haben uns die Eindrücke der unterschiedlichen, immer wieder wechselnden typischen Landschaften ein wenig entschädigt. Und extra für Sr. Gabriele Maria und Marius, die beiden Tansanianeulinge, wollten sich uns bei der Fahrt durch den Mikuminationalpark die Tiere vorstellen. Richtig viele Elefanten, Zebras und Giraffen kamen an die Straße, um uns zu begrüßen.
Segerea heißt die neue Station in Tansania
Sr. Gemma und Sr. Hilaria wohnen nun im Stadtteil Segerea in Dar es Salaam. Im September kamen sie nach Dar. Sr. Gemma versucht seit Wochen, für eine neu gegründete Primary School die Registrierung zu erhalten und rennt von einem Amt zum nächsten. Nebenbei haben zwei Klassen schon mit dem Unterricht begonnen. Alles wirkt noch ein wenig provisorisch, aber die Schule verspricht richtig schön zu werden und auf einem guten Niveau Bildungschancen zu eröffnen.
Für die Schwestern selbst wirkt alles noch provisorischer. Das Schwesternhaus ist noch nicht fertig, seit drei Wochen wohnen sie in einem anderen gemieteten unfertigen Haus. Für unseren Besuch haben sie sich Stühle ausgeliehen, ansonsten sitzen sie gerade noch auf dem Boden, und kochen auf einer Kochplatte auf dem Boden, Schränke gibt es noch keine, dafür aber eine goldene Stuckborte an der Decke. Irgendwie sind sie sich unsicher, was sie jetzt tatsächlich anschaffen sollen, weil nicht klar ist, wie lange es dauert, bis das Schwesternhaus fertig ist. Für uns schwer einschätzbar, denn die frisch gebaute Kirche und das Schulzentrum sehen richtig solide und gut aus. Unter anderen Umständen wäre ich skeptischer gewesen… Franziskaner aus Polen leiten die Pfarrei und das Schulzentrum. Wir sind gespannt, wie sich dieser Einsatz weiter entwickelt und hoffen, dass die beiden Schwestern nicht den Mut verlieren.
Abschied
Und dann hieß es schon wieder Abschied nehmen. Sr. Elisabeth hatte noch die Möglichkeit, am Samstag in Addis bei einem Treffen der äthiopischen Ordensleute zum Tag des Geweihten Lebens teilzunehmen. Ich musste morgens früh schon auf den Flughafen, um nach Tansania zu fliegen. Beide sind wir inzwischen gut angekommen. Sr. Elisabeth in Deutschland und ich in Tansania – und zwar mit einem dankbaren Herzen und mit vollem Koffer – wir sind reichlich beschenkt worden und haben kräftig im Frauenprojekt von Sr. Martha eingekauft – aber wir haben auch einige Aufgaben im Gepäck, die es nun gilt abzuarbeiten: in Nekemte und in Untermarchtal.
Insgesamt aber sind wir unendlich dankbar: für diese mutigen Frauen, die das vinzentinische Charisma in Äthiopien leben, für Bischof Varghese, der sie in dem Wachsen und Suchen begleitet und Gott, der das alles erst möglich macht. Es ist einfach unglaublich!!! Gegen alle Widerstände wächst es einfach weiter…
Vorfreude
Wieder einmal breche ich morgen Richtung Süden auf. Und doch ist es dieses Mal ein wenig anders. Unsere Generaloberin, Sr. Elisabeth reist mit mir nach Äthiopien. Aufregend ist das… in vielerlei Hinsicht. Die politische Situation scheint ruhiger zu sein – und doch werden wir erst vor Ort entscheiden können, ob wir zu den Stationen reisen können oder in Addis Abeba bleiben müssen. Gespannt bin ich, wie sich die junge Gemeinschaft im letzten halben weiter entwickelt hat, wie es Sr. Sara als Oberin dort geht. Und natürlich ist es spannend zu sehen, wo Gott uns – in den Ereignissen – als Gemeinschaft hinführt. Im Moment ist noch so vieles offen – gerade auch wie wir die Verbindung zu den äthiopischen Schwestern gestalten wollen. In der Vorbereitung auf diese Reise haben wir auch noch mal in unsere eigene Geschichte geschaut. Von 1852-1870 wurden Frauen aus Württemberg nach Straßburg in das “Gründungs-Mutterhaus” geschickt, um dort ihre Ausbildung zu machen – ein kleines Beispiel für die lange und intensive Verbundenheit, für die lang andauernde Begleitung der jungen Gemeinschaft. Mal sehen, wie so ein Begleitungsprozess im Jahr 2017 aussehen kann.
In eigener Sache: Entschuldigung
Für alle treuen Blogleser und -leserinnen… Eine Grippe (keine Malaria!!!) und Internetprobleme haben mich ein paar Tage beschäftigt…
Maisha – Leben
Ein Wort unseres Ordensgründers Vinzenz von Paul könnte über dieser Reise stehen: “Die Ereignisse sind unsere Herren”. Die Tansanier sagen in ähnlichen Situationen manchmal mit einem tiefen Seufzer “maisha”, “so ist das Leben”. Ja, es sind die unerwarteten Ereignisse des Lebens – und des Todes, die uns dazu bringen, unsere toll ausgedachten Pläne und durchgetakteten Terminkalender zu vergessen und zu improvisieren und das Beste aus den Ereignissen zu machen.
So ging und geht es uns auch bei dieser Reise. Aus einem Wochenende am Niassasee wurde wegen der Beerdigung ein schöner und erholsamer Kurztrip mit einem ausgiebigen Bad im See. Auf die Besuche in Mikalanga und Mpepai mussten wir ganz verzichten, bzw. verschieben, dafür haben wir sehr gute Erfahrungen des Miteinanders im Regionalhaus gemacht. Gestern haben wir uns dann auf dem Weg nach Ruhuwiko geteilt. Der Rest unserer Truppe kam mit sehr positiven Eindrücken aus Kigonsera zurück und ich habe Mitschwestern zur Behandlung ins Krankenhaus nach Peramiho gebracht, bzw. im Krankenhaus besucht. Auch das waren gute Begegnungen. So wurden für uns die anderen, ungeplanten Ereignisse, die wie Herren unsere Reisplanung bestimmt haben, zu Geschenken und wir zu Beschenkten.
Endgültig
Seit Samstag drücke ich mich davor, von den Beerdigung zu schreiben. Doch irgendwie schulde ich es Sr. Assumpta und den Menschen, die sie in Tansania und in Europa schätzten und in ihr eine treue und zuverlässige Partnerin in der gemeinsamen Arbeit für das Wohl der Kinder in Loreto sahen. Für manche ist Freundschaft über kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg entstanden.
Viele, sehr viele Menschen haben Sr. Assumpta auf ihrem letzten Weg begleitet, Viele Schwestern. Aus allen Konventen kamen Schwestern angereist. Verwandte und Angehörige ihrer Volksgruppe, die in Mbinga wohnen. Viele Priester. Alles war sehr gut vorbereitet. Vielleicht war der Chor besonders beeindruckend… zumindest trugen die ruhigen, meditativen Gesänge mit den vielen Wiederholungen zu der würdigen Atmosphäre bei.
Während die Menschen in Deutschland nach dem Hinunterlassen des Sarges möglichst schnell vom Friedhof eilen, bleibt man hier so lange stehen, bis das Grab wieder verschlossen ist. Männer schaufeln, unterstützt von den Angehörigen das Grab sofort zu, dabei ist meist ein Mann im Grab und trampelt die Erde fest. Das unterstreicht irgendwie die Endgültigkeit des Todes. Anschließend dürfen verschiedene Menschen, die ihr nahe standen und besonders “wichtige” Menschen, die Kränze auf dem verschlossenen Grab niederlegen, auch die Kinder von Loreto haben sich beteiligt. Und am Ende haben ihre Kursschwestern einen Kreis um das Grab gebildet und gemeinsam ein Lied Schwester Assumpta zum Abschied gesungen.