Der Computertomograph in Ikonda
Der nächste Computertomograph steht in Dar es Salaam. Als ich das erste Mal in Ikonda war, waren die Consolatabrüder gerade dabei aus ihrer Krankenhauskapelle einen Raum für das CT zu machen, das kurze Zeit später in Ikonda ankam. P. Sandro erklärte, dass sie dann zwar einen Raum für ihr CT und ein CT haben, aber niemand der es bedienen kann.
Kurze Zeit später meldete sich eine junge Frau mit MTR-Ausbildung bei mir für einen dreimonatigen Freiwilligendienst. Drei Monate sind eigentlich keine Option für uns. Die Zeit ist zu kurz um sich auf das Leben hier einzulassen. Doch Ikonda ist eine besondere Insel. Und so haben wir es gewagt. Mitte Oktober haben wir sie hierher begleitet.
Nun nach über zwei Monaten sah ich ein funktionierendes CT, lernte Mitarbeiter kennen, die sie eingewiesen hat, sprach mit italienischen Chirurgen, die aufgrund des CT-Befundes Operationen für die nächste Woche planen, las detailliert erstellte Arbeitsabläufe und Handlungsanweisungen… Jana kann mit ihrer Arbeit zufrieden sein und das CT, ihr “Baby” in wenigen Wochen zurücklassen.
Mehr noch, in der Anfangszeit griff sie immer auf ihre Kontakte zu einem deutschen Krankenhaus zurück. So wurden Bilder teilweise in Deutschland befundet und erste Verbindungen geknüpft. Vielleicht entsteht daraus so etwas wie eine Partnerschaft. Jetzt kann auch ich zufrieden und beruhigt Richtung Mbinga zurück.
Spannende Erfahrungen
Der Tag hatte so viele spannende Erfahrungen, doch ich will die zwei herausgreifen, die mich am Abend nachhaltig beschäftigen.
Den Weg nach Ikonda haben wir unter anderem gemacht, um Jana zu begleiten. Jana hat ihre MTR-Ausbildung im Sommer abgeschlossen und wollte in einer unserer Stationen einen Freiwilligendienst leisten. Wegen ihrer Qualifikation haben wir sie dann aber nach Ikonda vermittelt. Und sie wird hier sehnsüchtig erwartet. Die drei Chirurgen aus Italien fragen schon beim Abendessen, welche Geräte sie bedienen kann. Das neue Computertomografiegerät wartet sehnsüchtig auf jemand, der es richtig bedienen kann. Und so freuen wir uns mit Jana und sind froh, den harten Weg auf uns genommen zu haben, um sie sicher ans Ziel zu bringen.
Eine weitere Begegnung im Bus hat uns dem Leben hier im Land noch mal ein Stück näher gebracht.
Unterwegs stieg in den völlig überfüllten Bus ein Vater mit einem ganz kleinen Neugeborenen und einer völlig apathischen Mutter ein. Sie waren auf dem Weg nach Ikonda. Die Armut, aus der sie kamen, war augenscheinlich. Alle waren zumindest fehl-, wenn nicht unterernährt. Der Vater trug noch einen Viertel Sack Mais mit, vielleicht das Zahlungsmittel für die Behandlung der Frau. Als das Baby vor Hunger zu schreien begann, versuchte der Vater – ein wenig ungeschickt – das kleine Mädchen an der Brust der Mutter anzulegen und siehe nach einiger Unterstützung gelang der kleinen Faraja das Saugen. Die Mutter aber blieb völlig teilnahmslos. Gemeinsam schafften wir es dann, die Familie ins Krankenhaus zu bringen.
Farajas Mutter war nicht die einzige Patientin in unserem Bus. Ein Dalladalla als offizieller Krankenwagen auf einer Sand-Hubbelpiste… Eine vierstündige Fahrt im Dauervibrationsalarm auf engstem Raum… Völlig überfüllt und mit kaputten Bremsen, zumindest mussten immer Holzklötze hinter die Räder. Als der Bus die Steigung nicht geschafft hat, sprang der Fahrkartencontrolleur vom fahrenden Fahrzeug und legte die Holzklötze vor, damit wir so nicht zurückrollten.
Bei jeder Ankunft sind wir dankbar, nichts ist hier selbstverständlich – vielleicht ist das Teil der Faszination…
Kinder
Der Tag begann mit Begegnungen mit den bei der Verbandsvisite in Ikonda vor Schmerzen weinenden Kindern und endet mit den hörgeschädigten Kindern, die uns in Ruhuwiko begrüßen. Kinder, die so früh schon vor besondere Herausforderungen gestellt sind und in deren Augen ganze Geschichten zu lesen sind – und vor allem ganz viel Sehnsucht nach Geborgenheit und Nähe.
Dazwischen lagen über 300 km – inzwischen durch die klimatischen Bedingungen – relativ schlechte Straßenverhältnisse, ca. 1500 Höhenmeter und viele Eindrücke von Land und Leuten.
Die Schwestern in Ruhuwiko haben uns herzlich aufgenommen, hier werden wir für drei Nächte sesshaft werden und von hier aus die Stationen in der Diözese Songea besuchen. Doch jetzt sind wir einfach froh und dankbar, dass wir gut angekommen sind.
Krankenhausküche in Ikonda
Auch wenn das Bild der Krankenhausküche von Ikonda nicht den Anschein erweckt, es ist trotzdem ein Vorbildkrankenhaus in Tansania – samt Isolierstation und frisch angeliefertem Computertomograph.
Im Moment sind mit Beatrix und Lash zwei junge Menschen hier, die durch die Vermittlung und Organisation von Sr. Lucia lebensnotwendige Operationen erhalten haben. Beatrix hatte durch die Malaria an beiden Beinen Thrombosen. Einer der Unterschenkel wurde deshalb schon vor zwei Jahren amputiert. Vor einigen Wochen verschlechterte sich ihr Allgemeinzustand so massiv, dass man um ihr Leben bangte. Beide Beinen hatten massive Infektionen mit der Beteiligung der Knochen und mussten nun dringend amputiert werden. Nur so kam sie mit dem Leben davon. Bald kann sie entlassen werden, dann steht noch die Versorgung mit Prothesen an.
Auch Lash hat eine infizierte Wunde am Bein, die nach einer Sportverletzung vor einem Jahr inzwischen auch von Maden besiedelt war. Bei ihm konnte in letzter Minute die Amputation verhindert werden, aber er wird noch lange stationär behandelt werden müssen.
Da in Tansania die Patienten von ihren Angehörigen gepflegt und mit Essen versorgt werden müssen, ist Lashs Mutter und Beatrix Oma mit in Ikonda. In einer großen Halle kochen die Angehörigen das Essen für Ihre Kranken. Für Lashs Mutter bedeutet dieser Krankenhausaufenthalt den finanziellen Ruin. Zwar bekommen sie als “Sozialfall” die Operation hier umsonst und für den Rest sorgt Sr. Lucia mit der Hilfe von Spendengeldern, aber durch die lange Abwesenheit von Zuhause musste sie nun ihren kleinen Laden schließen. Jetzt hat sie natürlich große Sorge, ob ihr nach dem Krankenhausaufenthalt eine Chance zum Neubeginn bleibt. Mal sehen, ob wir in den nächsten Tagen eine sinnvolle Lösung finden…
Wieder einmal sind wir beeindruckt von der Arbeit und der Organisation hier in Ikonda – und voller Hochachtung vor der Leistung der Menschen hier vor Ort.
Pfingstgottesdienst in der Krankenhauskapelle in Ikonda
Verrückt, am Ende der Welt, auf 2300 Meter, kurz vor dem afrikanischen Graben finden wir ein Krankenhaus mit dem besten Standard, den ich bisher in Tansania angetroffen habe. Sauerstoffanschluss in jedem Zimmer, je ein Ausfallsystem für Wasser und Strom, alle wichtigen Geräte in mindestens dreierlei Ausfertigung, weil eines immer kaputt ist, computergestützte Patientenaufnahme, warmes Wasser in allen Nasszellen, eine funktionierende Wäscherei, eine Apotheke mit eigener Produktion von Wundauflagen und einen 82-jährigen Chirurg aus Italien, der bereit ist, Agnela zu operieren.
Seit ich nach Loreto komme, treffe ich auf Agnela mit traurigem, schmerzverzerrtem Gesicht. Agnela hat verschiedene Fehlbildungen an den Händen, Beinen, der Wirbelsäule. Sie sitzt quasi mit angewinkelten Knien auf ihren Unterschenkeln im Rollstuhl. Verschiedenen Ärzten wurde sie bereits vorgestellt, seit zwei Jahren nimmt sie ständig Schmerzmittel. Ein Mädchen von 12 Jahren. Jetzt endlich wurde festgestellt, dass sie sich wohl vor zwei Jahren eine Oberschenkelfraktur zugezogen hat, die nie behandelt wurde und immer noch instabil ist. Endlich kann ihr wenigstens wegen der Schmerzen geholfen werden.
Ich glaube, sie hat mich heute zur Begrüßung das erste Mal angelächelt.