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Lebensfreude und Sorgen (Gastautor: Dr. T. Broch)

Heute ist Ausflugstag – nicht, wie ursprünglich vorgesehen, nach Litembo, sondern Richtung Osten nach Lipilipili und von dort weiter nach Mpepai. Die Straße führt, kaum, wir dass wir Mbinga verlassen haben, ins Bergland hinein, immer wieder an einsamen kleinen Anwesen vorbei, manchmal durch kleine Ortschaften, wo Kinder, Frauen und Männer neugierig unserem Fahrzeug nachschauen. Die Straßen sind kaum mehr als solche zu bezeichnen, sondern sind ausgefahrene, zum Teil tief ausgefurchte schmale Wege, mit steilen Auf- und Abstiegen und engen Kurven und Holzbohlenbrücken über kleinen Wasserläufen; immer wieder müssen sich die Räder das Landrover durch den tiefen roten Sand mahlen. Hohe Erd- und Steinhaufen am Straßenrand werden slalomartig umfahren; mit ihnen sollen die von der Regenzeit stark ramponierten Fahrbahnen wieder ausgebessert werden. Der rote Staub dringt durch alle Ritzen. Manchmal dehnt sich links und rechts der Straße Buschland aus, manchmal kleine Wälder, manchmal bebaute Felder oder kleine Bananenplantagen. Es ist ein grünes, fruchtbares, wasserreiches Land.

Hier, etwa 30 km oder bei diesen Straßenverhältnissen eine gute Fahrstunde von Mbinga entfernt, liegt Lipilipili, die Farm des Klosters. Schon von weitem ist das auf einer Anhöhe gelegene Gebäudeensemble vor der Bergkulisse im Hintergrund sichtbar. Lange Zeit waren diese Siedlung und die dazu gehörigen Ländereien der einzige Grundbesitz des Ordens. Aufgebaut wurde die Farm von einem deutschen Entwicklungshelfer, der heute als Br. Thomas Morus bei den Missionsbenediktinern lebt.

Wir biegen von der Straße auf einen kleinen Fahrweg durch den Wald ein und werden auf einer Lichtung von einer Gruppe junger Frauen und zwei Schwestern empfangen, die mit Jubel und Gesang die letzten vier- oder fünfhundert Meter bis zur Farm vor uns hertanzen. Es sind die Mädchen und jungen Frauen, die sich hier auf das Leben im Orden vorbereiten. Sr. Lamberta ist für ihre Ausbildung zuständig; gemeinsam mit 11 weiteren Schwestern lebt sie hier, und mit den Schwestern die so genannten Aspirantinnen, 13 von ihnen sind heute hier, sieben Kandidatinnen im zweiten Jahr – die Kandidatinnen des ersten Jahrgangs sind außerhalb an verschiedenen Orten eingesetzt – und fünf Postulantinnen. Außerdem ist hier noch Gracy, ein Mädchen von vielleicht zwei Jahren, deren allein erziehende Mutter gehörlos ist; sie wächst hier einfach als jüngstes der Mädchen mit auf, und sie scheint sich gut dabei zu entwickeln. Sechs Vorbereitungsjahre müssen die jungen Frauen absolvieren, bevor sie ins Noviziat, die letzte Vorbereitungszeit, eintreten. Allerdings kommen die Mädchen fast noch als Kinder hierher, und die lange Zeit der Orientierung ist durchaus sinnvoll.

Hier also werden wir herzlich empfangen, auch von Sr. Vincent Karama, die als erste tansanische Schwester in den Orden eingetreten und heute 73 Jahre alt ist. Zwischen einer ersten Mahlzeit zum Empfang und einer zweiten Mahlzeit zum Abschied – beide reichlich – führt uns Sr. Lamberta durch die Häuser, in denen die Mädchen und jungen Frauen mit ihrer jeweiligen Gruppe zusammen leben, durch die Unterrichts- und Gemeinschaftsräume. Es sind einfache Räume, aber angesichts der Lebensbedingungen der Familien, aus denen sie kommen, sicherlich ein wohnliches Lebensumfeld. Dass der Speisesaal der Aspirantinnen viel zu klein ist, ist wohl ein schon lange bekannte Problem und wird auch bei diesem Besuch thematisiert …

Der weitere Rundgang führt durch die Landwirtschaft. Sr. Zita, die in Mbinga Hausoberin und zugleich Leiterin der Farm ist – sie begleitet uns auf der Fahrt –, hat diese in den letzten Jahren wieder zu einem gewissen wirtschaftlichen Erfolg geführt. Von hier aus wird die gesamte Gemeinschaft mit Nahrungsmitteln versorgt; was über den Bedarf hinaus produziert wird, wird verkauft und dient dem Einkommen. Viel ist dies allerdings derzeit noch nicht; lediglich von der Maisernte kann die Hälfte auf den Markt gebracht werden, um den Erlös wiederum in Dieselöl für die Fahrzeuge und in Dünger für die Felder und Äcker zu investieren.

Wir gehen durch das weitläufige Areal, vorbei am Gemüsegarten und den Äckern, den Bananen- und Papayabäumen, schauen in die Kuh-, Schweine-, Hühner- und Hasenställe, lassen uns die Keller und Lagerräume für Bohnen, Sonnenblumenkerne, Mais zeigen … Und werden auch zu den beiden Dieselgeneratoren geführt, deren einer seit zehn, der andere seit drei Jahren nicht mehr funktioniert. Vielleicht können die Handwerker aus Mbinga sie reparieren. Eine Neuinvestition in diese Technik erscheint nicht mehr als sinnvoll, zumal der Orden ein Wasserkraftprojekt in der Nähe plant. Und für technische Geräte wie etwa die Kühlschränke ist Solarenergie allemal sinnvoller als Dieselgeneratoren. Vieles ist ein Lernprozess …

Wir fahren weiter, nehmen Sr. Vincentia mit, die derzeit hier ihren Urlaub verbringt und ansonsten Psychologie studiert, laden Sr. Zita an einem Feld ab, wo sie den restlichen Tag über arbeiten will, und setzen den Weg Richtung Mpepai fort, vielleicht eine Viertelstunde von hier.

Mpepai ist ein Dispensary, eine Krankenstation. Geleitet wird sie von Sr. Yasintha, die gemeinsam mit vier weiteren Schwestern hier lebt und arbeitet. Sie ist Clinic Medical Officer und aufgrund ihrer Zusatzausbildung auch Assistent Medical Officer mit weiter reichenden medizinischen Kompetenzen. Die Schwestern halten die Präsenz der Kirche in diesem Dorf aufrecht, nachdem der Ortspfarrer nach einem völlig aus dem Ruder gelaufenen Konflikt mit der Gemeinde das Weite gesucht hat. Und sie stehen für die Verlässlichkeit der Kirche. Allerdings mit erheblichen Sorgen. Zwar sind sie nicht von den Versetzungsplänen der Regierung bedroht, weil ihre Gehälter aus einem so genannten Basquet-Fonds stammen, aber sie werden anderweitig durch regierungsamtliche Maßnahmen bedrängt. Das Dispensary soll zu einem Health Centre aufgewertet werden, was nicht zuletzt damit zusammenhängt, dass hier jeden Monat etwa 60 Entbindungen vorgenommen werden, die künftig nur den Health Centres vorbehalten sind. Dafür aber müssen die Schwestern ein neues Gebäude für ihre Aids-Station bauen, das über die bisherigen Funktionalitäten hinaus mehr Platz für Beratung, Untersuchung, stationäre Aufnahme, Isolierung der TBC-Kranken u. a. vorhält. Rund 400 Aids-Patienten werden hier versorgt. Die organisatorischen Rahmenbedingungen sind für uns, einschließlich der Experten, nicht völlig durchschaubar. 25 Millionen Tansanische Schillinge, das sind ca. 12.000 Euro hat der Staat für den Neubau in Aussicht gestellt, allerdings unter der Bedingung, dass die Schwestern schon einmal mit dem Bau beginnen – und die zugesagte Summe schrumpft zusehends. Außerdem wird ihnen die Bedingung gestellt, dass sie bis September mit dem Bau eines OP beginnen, in dem wohl vornehmlich Kaiserschnitte durchgeführt werden sollen. Dafür stellt der Staat lediglich die Ausstattung mit Medizintechnik in Aussicht. Wenn der OP allerdings nicht gebaut werde, werde die Einrichtung ganz geschlossen, berichtet Sr. Yasintha, die immer wieder mit den Tränen kämpft. Sie kämpft aber auch mit der Schwierigkeit dieser Umstände. So hat sie, um den Baubeginn öffentlich sichtbar zu machen, schon einmal große Mengen Ziegelsteine heranschaffen lassen. Es ist ihr auch gelungen, von der Bevölkerung Spenden für den Erhalt der Einrichtung zu erhalten. Es sind kleine Beträge, die die armen Leute hier beisteuern können. Aber sie zeigen höchst eindrucksvoll die Solidarität der Menschen mit den Schwestern und ihrem Dienst, den die Kranken von weither in Anspruch nehmen.

Die Einrichtung gehört der Diözese Mbinga. Welche Unterstützung ist vom Bischof zu erwarten?

Trotz aller Sorgen: Auch hier werden wir mit einem gastlichen Mahl und mit dem temperamentvollen Tanz einer vierköpfigen Kindergruppe verabschiedet. Die Lebensfreude ist nicht zu beeinträchtigen. Beschenkt mit Kangas, einem Huhn und einem Hahn brechen wir zur Heimfahrt in traumhaft schönem Abendlicht und in die beginnende Dunkelheit hinein auf.