Auf den Spuren der Missionare
Wieder fahren wir noch in der Dunkelheit durch den afrikanischen Busch, überall brennen Buschfeuer, teilweise bis nahe an die Hütten und die Straße, naja, die Piste, auf der wir wieder einmal kräftig durchgeschüttelt werden. Heute Abend werden wir den vielen roten Staub wieder mit der Eimerdusche aus den Haaren und den Kleidern waschen.
Und doch wissen wir heute wieder, dass schon ein Eimer warmes Wasser zum Duschen Luxus sein kann.
Die Menschen in Mkenda laufen mehr als vier Kilometer zum Fluss, um Wasser zu holen.
Mkenda, die neue Station an der Grenze zu Mosambique haben wir heute besucht. Und dort gab es ein großes Fest. Sechs Kinder wurden getauft.
Sr. Maria Goretti, Sr. Margret und Sr. Shada haben in den letzten Jahren wirkliche Aufbauarbeit geleistet. In diesem – von der Welt vergessenen – Landstrich haben sie mit der Kindergartenarbeit und einer Erste-Hilfe-Station in einfachen Bambushütten begonnen. Inzwischen steht das Fundament der Dispensary. Auf Nachfragen erklärt Sr. Margret, dass sie noch keine Entbindungsklinik bauen, weil die Frauen “in den Busch gehen” zum Entbinden. Das Vertrauen der Schwestern in die Kunst der traditionellen Heiler ist gering. Sie berichten von einer hohen Mütter- und Säuglingssterblichkeit. Auch hier sind die Erstgebärenden oft gerade mal zwölf Jahre alt. Zur Zeit leben zwei dieser jungen werdenden Mütter bei den Schwestern. Immer wenn wir nach den Vätern fragen, heißt es “Hamna” – keine. Scheinbar gibt es weniger Väter als Mütter in dieser Welt…
Völlig überrascht waren wir, dass auch fünf Kinder inzwischen im Schwesternhaus leben. Kinder, die einfach bei den Schwestern eingezogen sind, weil sie daheim nicht erzogen werden, so die Begründung der Schwestern. Sicher sind die Kinder so zahlreich und die Armut in manchen Familien so groß, dass das Schwesternhaus in seiner Einfachheit eine Alternative zu sein scheint. Nun muss also dringend eine Art Internat gebaut werden.
Doch erst nach der Fertigstellung der Dispensary.
Übrigens stehen die Maislaster nach wie vor vor der Lagerhalle, es werden täglich mehr und heute sahen wir, dass sich das Problem zurückstaut. Inzwischen liegen die Maissäcke auch in den Dörfern auf dem Land an den Sammelstellen auf Haufen herum und können nicht mehr abtransportiert werden. Wenn man dann noch weiß, dass viele Bauern so sehr auf das Geld angewiesen sind, dass sie oft mehr Mais verkaufen, als es ihre eigene Versorgung zulässt, wird es unerträglich! Heute hat uns auch noch jemand erzahlt, dass die Regierung kein Geld hat, weil sie die Wahlen im nächsten Jahr vorbereiten müssen. Hoffentlich sind das nur Gerüchte… Schlimm genug!
Safari nach Ligera und Ligunga
Es ist schon dunkel und wir sind noch unterwegs, trotz gutem Fahrer schüttelt’s uns dank der Schlaglöcher auf der Piste gut durch.
Der Tag war voller Begegnungen und Eindrücken. Wieder will ich zwei Episoden herausgreifen.
In Ligunga kamen wir gegen 13 Uhr in den Kindergarten, eigentlich ein schöner Kindergarten mit einem kleinen Spielplatz, den die Kinder uns begeistert vorführten. Zwei Kinder lagen abseits im Schatten, wirkten erschöpft, müde, krank – fast apathisch. Auf unser Nachfragen stellte sich heraus, dass sie Hunger hatten. Sie warteten auf ihre erste Mahlzeit am Tag. Bewusst wird sie so spät verteilt, weil die Kinder dann erst wieder am Abend daheim etwas zu essen bekommen. In der Gegend sind die Familien so arm, dass viele Kinder nur eine Mahlzeit daheim erhalten, der Becher Maisbrei im Kindergarten wird deshalb hungrig herbei gesehnt.
In Ligunga treffen wir neben den Kindern im Kindergarten und den Schülerinnen in der Haushaltungsschule ungefähr 50 Mädchen im Internat an.
Mädchen, die auf die öffentliche Grundschule gehen, aber das Internat besuchen, um so vor einer Heirat vor Beendigung der Grundschule geschützt zu werden. Die Mädchen sind zwischen 8 und 13 Jahren!!! Im Gespräch mit den Schwestern erfahren wir, dass in dieser Gegend Initiationsriten mit weiblicher Genitalverstümmelung trotz Verbot noch Tradition haben. Nach der “Beschneidung” im Alter von 8 bis 12 Jahren kann das Mädchen verheiratet werden. Die Zeit im Internat bietet einen gewissen Schutzraum für die Mädchen.
Uns bewegen die Erfahrungen und das Engagement der Schwestern sehr.
Sonntag in Ruhuwiko
Heute stand ein ruhigerer Tag auf dem Plan… Sonntag halt, Sonntag in Ruhuwiko. Und doch war es ein besonderer Sonntag, weil es der Vorabend des Namenstag von Sr. Lintrud war. Für die Kinder in Ruhuwiko bedeutete das viel Vorbereitung, vielleicht hatten sie nicht immer Lust dazu. Aber heute Abend waren sie einfach richtig stolz und glücklich. Ihre Tanzvorführungen zu Ehren des Namenstags faszinierten durch ihre Akrobatik, das Körpergefühl und die tiefe innere Freude am Tun. Faszinierend wie sie sich trotz Hörschädigung organisieren und gemeinsam zu solcher Leistung fähig sind. Zum Beispiel beginnt der Vortänzer mit einem eigenen inneren Rhythmus, dann nehmen die Trommeln den Rhythmus auf und die anderen Tänzer fallen ein.
Mal sehen, wie morgen der Namenstag weiter gefeiert wird…
Die Wasserstelle in Matimira und der Stau vor dem Maislager der Regierung
Zwei Situationen des heutigen Tages:
Direkt vor Ruhuwiko gibt es schon seit über einer Woche einen Stau vor dem Maislager der Regierung. Lastwagenweise transportieren die Kooperativen der Kleinbauern hier ihre Maisernte an. Eigentlich wollte die Regierung die Überproduktion im Süden des Landes aufkaufen, um für Hungersnöte Mais vorrätig zu haben. Denn in etlichen Landesteilen hat es so lange geregnet, dass die Ernte verdorben ist oder es war viel zu trocken und die Ernte fiel aus. Die Bauern hier im Süden haben eine gute Ernte und haben sich auf die Versprechen der Regierung verlassen und bringen nun ihren Mais, um ihn dort zu verkaufen. Doch leider hat die Regierung gerade kein Geld!!! Nun verteilen sie Gutscheine, aber die wenigsten wollen sich auf Gutscheine oder Schuldscheine verlassen, zu oft haben sie schlechte Erfahrungen gemacht und gingen dann leer aus. Jetzt stehen also viele Lastwagen vor dem Lager und warten darauf, dass die Regierung ihnen den Mais abkauft und zwar mit realen Tansanischen Schillingen. Doch ewig können sie nicht warten. Die LKWs sind teuer, der Mais bekommt schnell Ungeziefer, wenn er nicht anständig gelagert wird, die Bauern müssen zurück…. Wir sind gespannt, wie diese Geschichte ausgeht.
Die zweite Erfahrung, die uns nachdenklich macht:
In Matimira wurde eine Wasserpumpe vor ein paar Jahren mitfinanziert. Nun sehen wir überrascht die Kinder weiterhin Wasser holen und den Berg hinauf schleppen. Am Wasserloch wird auch nach wie vor gleichzeitig gewaschen. Auf unser Nachfragen erfahren wir, das Wasser, das ins Dorf hoch gepumpt wird, reicht nur für das Pfarrhaus, das Schwesternhaus und den Kindergarten. Der Diesel für die Pumpe ist viel zu teuer für das Dorf. So werden die Kinder, vor allem die Mädchen, auch in Zukunft das Wasser auf dem Kopf den Berg hoch tragen, wenn niemand eine Idee hat und die Initiative zeigt, die Situation zu verbessern.
Und was ist hier nun unser Auftrag? Haben wir überhaupt noch einen Auftrag? Das sind die Fragen, die uns hier täglich beschäftigen…
Kinder
Der Tag begann mit Begegnungen mit den bei der Verbandsvisite in Ikonda vor Schmerzen weinenden Kindern und endet mit den hörgeschädigten Kindern, die uns in Ruhuwiko begrüßen. Kinder, die so früh schon vor besondere Herausforderungen gestellt sind und in deren Augen ganze Geschichten zu lesen sind – und vor allem ganz viel Sehnsucht nach Geborgenheit und Nähe.
Dazwischen lagen über 300 km – inzwischen durch die klimatischen Bedingungen – relativ schlechte Straßenverhältnisse, ca. 1500 Höhenmeter und viele Eindrücke von Land und Leuten.
Die Schwestern in Ruhuwiko haben uns herzlich aufgenommen, hier werden wir für drei Nächte sesshaft werden und von hier aus die Stationen in der Diözese Songea besuchen. Doch jetzt sind wir einfach froh und dankbar, dass wir gut angekommen sind.
Ruhuwiko
In allen Einrichtungen tauchen immer wieder akute und nicht vorhersehbare finanzielle Engpässe auf, die neue Handlungsmuster fordern und die für uns Deutsche oft so schwer einschätzbar sind. St. Vincent, die Schule für Kinder mit Hörschädigungen wurde neben der Lehrervergütung, die klassische Aufgabe des Staates ist, auch für weitere Zwecke vom Staat finanziell unterstützt. Vor drei Jahren konnte die Schule noch mit fast 70.000.000 TSH rechnen. Das sind ca. 35.000 Euro. Im letzten Jahr waren es noch 41 Mio. dieses Jahr sind wir bei 14 Mio. mit der klaren Aussage der Regierung, dass damit das Budget erschöpft ist. Schwester Ernesta erklärt, dass sie seit dem letzten Jahr dieses Geld sowieso nicht mehr für den täglichen Unterhalt der Schüler nutzen durften, sondern Anschaffungen für die Schule tätigen mussten. Unter anderem konnten sie damit das Fahrgeld der Schüler in die Ferien finanzieren. Nun war das in diesem Jahr nicht mehr vollständig möglich, mit dem Ergebnis, dass sie drei Schüler „verloren haben“, so Sr. Ernesta. Sie beschreibt, mit welchem Aufwand die Ferien für Lehrer und Schulleitung verbunden sind. Während bei uns alle die letzte Schulstunde vor den Ferien nicht abwarten können und dann – Lehrer wie Schüler – schnell verschwunden sind, müssen die Schüler, aufgrund ihres Handicaps von den Lehrern oft über lange Busstrecken nach Hause gebracht werden. In diese Busfahrten wurde unter anderem das Geld der Regierung investiert. Es reicht dann aber nicht, den Eltern das Geld für die Rückfahrkarte nach den Ferien zu geben. Die Versuchung und die Not ist zu groß, das Geld anderweitig auszugeben, damit endet dann die Schulzeit der Schüler vorzeitig und scheitert an der Rückfahrt in die Schule nach den Ferien.
In diesem Jahr hat nun die Regierung beschlossen, dass alle Sekundarschulen im Land richtige Toiletten mit Wasserspülung brauchen. Dieser Beschluss wird nun vom Verantwortlichen in Songea umgesetzt. Das bedeutet für Schulen für Kinder mit Handicaps sind alle Sonderzulagen fürs erste gestrichen und Sr. Ernesta als Schulleitung und Sr. Lea als Buchhalterin sind auf der Suche nach neuen Geldquellen.
Krankenhausküche in Ikonda
Auch wenn das Bild der Krankenhausküche von Ikonda nicht den Anschein erweckt, es ist trotzdem ein Vorbildkrankenhaus in Tansania – samt Isolierstation und frisch angeliefertem Computertomograph.
Im Moment sind mit Beatrix und Lash zwei junge Menschen hier, die durch die Vermittlung und Organisation von Sr. Lucia lebensnotwendige Operationen erhalten haben. Beatrix hatte durch die Malaria an beiden Beinen Thrombosen. Einer der Unterschenkel wurde deshalb schon vor zwei Jahren amputiert. Vor einigen Wochen verschlechterte sich ihr Allgemeinzustand so massiv, dass man um ihr Leben bangte. Beide Beinen hatten massive Infektionen mit der Beteiligung der Knochen und mussten nun dringend amputiert werden. Nur so kam sie mit dem Leben davon. Bald kann sie entlassen werden, dann steht noch die Versorgung mit Prothesen an.
Auch Lash hat eine infizierte Wunde am Bein, die nach einer Sportverletzung vor einem Jahr inzwischen auch von Maden besiedelt war. Bei ihm konnte in letzter Minute die Amputation verhindert werden, aber er wird noch lange stationär behandelt werden müssen.
Da in Tansania die Patienten von ihren Angehörigen gepflegt und mit Essen versorgt werden müssen, ist Lashs Mutter und Beatrix Oma mit in Ikonda. In einer großen Halle kochen die Angehörigen das Essen für Ihre Kranken. Für Lashs Mutter bedeutet dieser Krankenhausaufenthalt den finanziellen Ruin. Zwar bekommen sie als “Sozialfall” die Operation hier umsonst und für den Rest sorgt Sr. Lucia mit der Hilfe von Spendengeldern, aber durch die lange Abwesenheit von Zuhause musste sie nun ihren kleinen Laden schließen. Jetzt hat sie natürlich große Sorge, ob ihr nach dem Krankenhausaufenthalt eine Chance zum Neubeginn bleibt. Mal sehen, ob wir in den nächsten Tagen eine sinnvolle Lösung finden…
Wieder einmal sind wir beeindruckt von der Arbeit und der Organisation hier in Ikonda – und voller Hochachtung vor der Leistung der Menschen hier vor Ort.
Mittendrin
Irgendwie sind wir schon mitten drin… Lulu heißt die kleine Dame auf dem Bild. Seit Anfang August ist sie im Aidswaisendorf in Ilunda und immer krank. In zwei Hospitälern waren die Schwestern mit ihr. Das Ergebnis des HIV-Tests ist nirgends aufzutreiben… Aber alles, was die Schwestern erzählen, spricht diese Sprache. Erschöpft und ohne Energie liegt sie im Arm, überall sind Knochen zu spüren, das Heben des Kopfes macht ihr mit acht Monaten große Mühe. Die Lippen sind rissig, im Mund hat sie offene Stellen, das Abhusten kostet zu viel Kraft… Ein paar Stunden Körpernähe, das ist alles, was wir ihr heute geben konnten… Nähe, die ihre verstorbene Aidskranke Mutter ihr nicht mehr geben kann und die Erzieherinnen hier im Kinderdorf auch viel zu selten.
Wieder bin ich überrascht über die neuen Kleinkinder und Babys. Schwester Dorothea berichtet, dass sie nun schon zwei Kinder in wenigen Tagen an eine Einrichtung in der Nähe geben mussten, weil sie überfüllt sind – vor allem so viele Babys wollen versorgt werden.
Obwohl die warme Zeit in Tansania beginnt, ist es am Abend empfindlich kalt und wieder einmal laufen viele “Rotznasen” durchs Gelände. Rotznasen, die man so wunderbar an den Kleidern und Schleiern der Schwestern beim Toben und Kuscheln abwischen kann. Entsprechend sehen wir schon am Anfang der Reise aus…
Morgen steht Ikonda auf unserem Programm. Heute haben wir schon einen Kurzbesuch im NeemaGuesthouse in Iringa gemacht. Ein wirklich beeindruckendes Integrationsprojekt für Menschen mit Behinderung.
Ach, und Sr. Lucia hat uns vom Flughafen in Iringa abgeholt – ein Wiedersehen als Highlight des Tages!
Regen im September
… Nein, nicht in Deutschland, da sind wir Kummer gewöhnt in diesem Sommer. Daresalaam erwartete uns mit Regen.
Nach einer langen Reise sind wir hier gut gelandet. Die Sorge vor Ebola ist auch hier zu spüren. Zumindest stand eine etwas gelangweilte Gesundheitskontrolle am Ankunftschalter… Hoffen wir mal, dass bei der Ankunft eines Fliegers aus Westafrika die Arbeitsmotivation steigt;-) Auf alle Fälle sind wir gut bei den Benediktinern angekommen und haben auf der Veranda das obligatorische Willkommensbier getrunken. Irgendwann wurde dann plötzlich das Licht ausgeknipst und es war Nacht. Wie ich hier die Dämmerung vermisse… Es ist, als überrasche die Nacht den Tag immer wieder aufs Neue… Unangenehm, so ohne Vorbereitung zu kommen… Dunkelheit! Nacht!
Morgen geht es früh weiter – mit dem Flugzeug nach Iringa. Dort erwartet uns Sr. Lucia, wie ich mich freue!
Aufbruch zur großen Visitationsreise
München Flughafen ist dieses Mal unser Ausgangspunkt… München – Dubai – Daressalam… Dieses Mal brechen wir zur großen Visitationsreise mit Generaloberin, Sr. M. Lintrud und Superior Briemle auf. Unsere letzten Visitationsreisen endeten einmal mit dem tödlichen Autounfall von Sr. Gabriele und das folgende Mal mit unserem eigenen Zusammenstoß mit einem Zug in Dar. Na, da bleibt nur die Hoffnung, dass wir bei dieser Reise gut an den einzelnen Stationen ankommen.
Die drei Wochen sind dicht gedrängt, viele verschiedene Stationen stehen auf unserem Reiseplan, viele Begegnungen… Gespannt, was sich wohl in den nächsten Tagen entwickelt, warten wir auf den Abflug und hoffen auf Begleitung und Segen…