Herausforderungen
Sr. M., Comboni-Schwester aus Mexiko, ist heute meine Heldin des Tages. Sr. Martha, eine unserer Mitschwestern wird zur Zeit von ihr in die diversen Projekte zur Frauenförderung eingearbeitet. Sr. M. berichtet von den ganz speziellen Herausforderungen hier im Land, über von der Regierung erzwungene Familienplanung, über die traditionellen Rituale zur weiblichen Genitalverstümmelung, die beginnende Nahrungsmittelknappheit… Alle Themen sind verknüpft mit bürokratischen Hürden und geballter Inkompetenz und Ignoranz – auch in den verschiedenen Hilfsorganisationen. Sie versuchen so eng wie möglich, mit den Menschen vor Ort und den lokalen Autoritäten zusammen zu arbeiten und umgehen so auch manche Vorschriften. Bewundernswert!
Heldinnen
Sr. Lamberta und Sr. Veronika sind meine Heldinnen des Jahres.
Vor einem Jahr brach Sr. Lamberta nach Äthiopien mit dürftigen Englischkenntnissen auf. Inzwischen kann sie nicht nur die Meetings mit dem Bischof und den Schwestern auf englisch moderieren, sondern sich auch mit den Leuten auf der Straße in Oromo, der lokalen Sprache unterhalten. Doch am meisten fasziniert mich, wie die junge Gemeinschaft im vergangenen Jahr an Profil gewonnen hat. Das Ganze, so berichtet Sr. Lamberta, hat sie viel Kraft gekostet – und 25 kg Körpergewicht!
Inzwischen ist Sr. Veronika aus Tansania unterstützend an ihrer Seite. Sr. Veronika ist mit 60 Jahren das erste Mal in einem fremden Land und staunt schwer über die fremde Kultur. Gestern wollte sie – völlig entsetzt! – die Postulantin samt der gerade begonnenen Kaffeezeremonie aus dem Zimmer werfen. Denn so eine Räuchergeschichte im Wohnzimmer geht ja gar nicht. Und als dann noch der Weihrauch kam, war sie völlig fertig. Am offenen Feuer wird draußen gekocht und der Weihrauch gehört in die Kirche! Lachend haben wir sie aufgeklärt. Noch am Abend hat sie erzählt, wie sehr sie diese Überraschungen und das viele Neue anstrengen. Doch sie geht mutig und mit viel Humor weiter.
Ein Land voller Rätsel
Äthiopien bleibt für mich voller Rätsel! Die Gleichzeitigkeit von Moderne und Tradition, von Aufbruch in die Moderne und Festhalten an Althergebrachten, von Schönheit und Schmutz verwirrt mich und die Armut und Hoffnungslosigkeit beelenden. Einen Zugang zum Internet schaffen wir mal wieder nicht. Das heißt, die Bilder kommen später in den Blog.
Bei den Mutter-Teresa-Schwestern und Brüdern
“Nahe dran sein an den Armen” (near by the poors) ist ein Diskussionspunkt mit der jungen Gemeinschaft. Wie lernen die jungen Schwestern die Hinwendung zu den Armen, wenn sie selbst gerade erst aus der Armut der eigenen Familie und Herkunft entkommen sind? Vielleicht haben wir heute eine Spur gefunden…
Wir waren gemeinsam bei den Mutter-Teresa-Schwestern und Brüder. Die Schwestern leben und arbeiten in einem Center für kranke Menschen (600 Personen auf engstem Raum). Jeden Tag kommen ungefähr 60 der Ärmsten der Armen. Manche einfach “nur” zum Sterben, manche erhalten eine medizinische Grundbehandlung oder werden ans Hospital überwiesen. Einige mehrfach behinderte Kinder werden vermutlich ihr Leben lang dort bleiben, weil es niemand gibt, der sie irgendwann einmal abholen wird.
Durch das Center geführt, hat uns eine ganz junge Schwester aus Spanien. Sie kam erst im März und spricht nur wenige Worte der lokalen Sprache und doch wurde sie in jedem Raum, in den wir kamen, von den Patienten freudig begrüßt. Sie ist erfüllt von ihrer Aufgabe und strahlt das auch aus. Trotzdem wird klar, wie sehr sie auch mitleidet, vor allem wenn sie erlebt, wie viele kranke und behinderte Menschen von ihren Familien verstoßen werden. Fast täglich werden Sterbende oder (behinderte) Neugeborene einfach vor den Türen des Centers abgelegt. Erst als “Tote” sind sie wieder Teil der Familie und werden abgeholt.
Tief beeindruckt waren wir alle – auch gerade die äthiopischen Schwestern – von der Menschlichkeit und Wärme, die dieser Ort alles menschlichen Elends ausstrahlt. Ein guter Ort für die Postulantinnen um in Zukunft praktische Erfahrungen zu sammeln und Vorbilder zu erleben. Einmal in der Woche werden sie nun in Zukunft trotz Unterricht dort hingehen. Wahrscheinlich wird dieser Part eines der wichtigsten Unterrichtsfächer in dieser Ausbildung!
Kurztrip
Schon wieder in Addis zurück… Ein echter Kurztrip, aber wir hatten die Chance mit dem Bischof im Auto nach Addis zu fahren, das schien uns vorteilhafter und ungefährlicher als mit dem Bus. Naja, darüber ließe sich inzwischen trefflich streiten. Wir vermuten, dass der Driver des Bischofs ein wenig kurzsichtig ist und schlecht die Distanzen einschätzen kann. Das versucht er, durch die Hupe zu kompensieren, eine von mehreren Möglichkeiten in einem Land, in dem es keine Optiker gibt. Nur die Hupe in diesem alten Toyota-Geländewagen ist ein wenig versteckt unterm Lenkrad. Um das Lenkrad loszulassen, musste er leider immer bremsen. Dadurch dass jeder Hund, jeder Esel, jedes Kind und jedes entgegenkommende Auto wohl schwer in der Breite einzuschätzen war, begleitete uns ein Hupkonzert von Nekemte bis Addis und die Fahrt glich manchmal einem Ritt, weil jedes Hupen mit einem Abbremsen verbunden war.
Aber unsere Mageninhalte waren sehr tapfer und wir konnten die Zeit nutzen, um viel über das Land zu erfahren und noch manche Fragen mit dem Bischof klären. So reisen wir morgen mit einem 10-Jahres-Plan zurück. Vorher steht aber noch ein Besuch bei den Mutter-Teresa-Schwestern auf dem Programm.
So entspannt können Meetings sein
Wieder Netzwerkprobleme, dafür haben wir wieder Strom, nur noch kein Wasser… Aber was soll’s so freuen wir uns einfach auf die nächste Dusche, die irgendwann mal kommt, auf unserer Reise.
Allen äußeren Widrigkeiten zum Trotz hatten wir einen richtig erfolgreichen Tag. Zum ersten Mal konnten wirklich klare Schritte in Richtung zukünftiger Strukturen der jungen Gemeinschaft gegangen werden. Heute Nachmittag saßen wir dann sogar alle gemeinsam an der Budgetplanung und konnten gemeinsam eine Bestandsaufnahme machen (die allerdings ernüchternd ausfiel) und gemeinsam die nächsten Schritte planen. Unsere Gespräche waren offen wie nie und es scheint eine Basis der Verlässlichkeit entstanden zu sein.
Und wir haben viel miteinander und über einander gelacht. Zum Beispiel auch über meinen “deutschen” Vorschlag, die Mitarbeiter, denen sie keinen zum Leben ausreichenden Lohn zahlen können, einfach in Teilzeit zu beschäftigen, damit sie einen weiteren Job annehmen können. Ein ziemlich blöder Vorschlag haben sie mir unmissverständlich, aber wertschätzend beigebracht. Die Arbeiter verdienen nämlich so wenig, dass sie darauf angewiesen sind, im Haus zu wohnen und mit den Schwestern zu leben und zu essen. Bei einem zweiten Arbeitgeber anzuheuern, ist somit unmöglich, wurde mir erklärt.
Tja, nicht einfach eine Lösung zu finden. Aber immerhin, die Schwestern haben das Problem eines Mindestlohns erkannt.
Kaffeezeremonie
Die traditionelle Kaffeezeremonie zeigt uns inzwischen an, wie willkommen wir sind. In aller Ruhe werden die Blumen im Garten gesammelt und nur scheinbar zufällig auf dem Boden zerstreut.
Wenn dann der Duft von gerösteten Kaffeebohnen durchs Haus zieht wird es Zeit sich zum Schauspiel einzufinden. Die Geräusche der Bohnen, die über die Röstpfanne hüpfen und der Geruch, entschädigen für den Rauch, der durch das offene Feuer im geschlossenen Raum in den Augen brennt. Haben die hellgrünlich-beigen Bohnen ins Braun-Schwarze gewechselt, werden sie in einem großen Holzmörser zerstampft. Dieses Geräusch des gleichmäßigen, kraftvollen Stampfen erhöht die Vorfreude bei den geduldig Wartenden. Denn dann wird bald der Kaffee aufgebrüht. Inzwischen wurde schon das Wasser auf dem offenen Feuer erhitzt. Das Kaffeemehl kommt in eine ganz traditionelle, bauchige Tonkanne und wird immer wieder mit kochendem Wasser übergossen. Der Kaffee wird dann in kleinen Mokkatassen mit viel Zucker serviert – und zwar immer wieder. Je nachdem wieviel Koffein der einzelne Gast verträgt….
Beeindruckend ist aber vor allem die Eleganz, mit der die Frauen diese Zeremonie vollziehen. Egal ob sie im Ess- oder Wohnzimmer eines Hauses, am Sonntag nach dem Gottesdienst in der Gemeindehalle oder an einer Mauer auf der Straße zwischen Pfützen stattfindet – Eleganz, Grazie und Stolz.
Frauen, die in diesem Land gleichzeitig schwere und schwerste Lasten tragen müssen, während der Mann auf dem prachtvoll geschmückten Muli oder Pony nebenher oder meist vornedraus reitet. Ein rätselhaftes, merkwürdiges Land – für mich!
Erste Gespräche (per SMS)
Nach der langen Reise und ersten wichtigen Gesprächen haben wir heute Abend mit dem Bischof das morgige Schwesternmeeting vorbereitet.
Langsam bekommt das Vorhaben eine reale Perspektive. Auf die Schwestern warten hier so viele Aufgaben. Doch zuerst müssen sie befähigt werden, die Not wahrzunehmen und dann auf kreativen Wegen Linderung zu schaffen.
Und wir müssen lernen, auf ihren Lernprozess zu warten und ihrer Kreativität zu trauen, denn unsere Lösungen wären wohl oft viel zu Deutsch. Spannende Geschichte, so voneinander zu lernen…
Auf nach Äthiopien
Mit gemischten Gefühlen brechen wir für einen Kurztrip nach Äthiopien auf. In den letzten Wochen waren die Nachrichten, die bei uns ankamen, schwer einzuschätzen. Doch nun sitzen wir zwei Frauen auf dem Flughafen in Frankfurt. Im Gepäck neben einer Nähmaschine und unzählige Rosenkränze und brave “Schwesternblusen” einige sehr konkrete Aufgaben, die – für uns – zum weiteren Wachstum der Gemeinschaft wichtig sind. Ob die Schwestern in Äthiopien ähnliche Prioritäten setzen wird sich zeigen. Wenn nicht, werden wir sicher spannende Aushandlungsprozesse bekommen. Und Hoffnung haben wir eingepackt! Die Hoffnung, dass mit jedem Besuch das Vertrauen wächst, als Basis für gegenseitiges Verstehen.
Am Fasnetssonntag
Während daheim Fasnet gefeiert wird, tasten wir uns in Addis durch das Dunkle. Im ganzen Stadtviertel ist der Strom ausgefallen. Und so wird unser Abschiedsabend zum Candle-Light-Dinner im Priesterseminar mit sehr interessanten Diskussionen über die politische Lage, die Hoffnung und die Perspektivlosigkeit der Jugend, Drogen und das Engagement der Kirche. So wurden wir heute vor allem durch die Offenheit und das Vertrauen beschenkt.
Morgen fliegen wir weiter nach Tansania und im Gepäck die Hoffnung, dass wir einen entscheidenden Schritt weiter gekommen sind. Die Krise, wenn man die Situation der Schwestern so beschreiben kann, ist aber noch nicht überwunden. Manche wirken erschöpft und resigniert, weil sie so lange auf Hilfe – von wem auch immer – gewartet haben, so lange mit dieser Orientierungslosigkeit zurecht kommen mussten.
So sind in unserem Reisegepäck einige Aufträge, aber auch offene Fragen und viele ungelöste Probleme – und trotzdem ist die Hoffnung stark, das es weitergeht.