Leben und Tod

 

So nah sind Leben und Sterben. Wenige Stunden nach dem ich den gestrigen Blogeintrag beendete, fanden wir F. Raquel, den Rektor des Seminars, in dem auch die Exerzitien statt fanden, tot in seinem Zimmer. Father Raquel war 43 Jahre und hatte einige Zeit in Rom Theologie studiert. Für die Schwestern war er der “gute Nachbar”, der sie immer wieder unterstützt hat, der mehrmals in der Woche zum Gottesdienst in den Konvent kam und der Orientierung gab. Für mich war er jemand, der mir viel über das Land, die politische Situation, die Kultur und die Stellung der katholischen Kirche in Äthiopien erklärt hat. Irgendwie können wir es alle gar nicht fassen und fühlen uns sprachlos und hilflos.

 

Das Leben feiern

Wenn jemand ein Bündel hellgrünes, frisch geschnittenes Gras in den Raum trägt und auf dem Boden verteilt, fängt Sr. Veronika aus Tansania an zu stöhnen und meine Geschmacksnerven hüpfen vor Vorfreude. Sr. Veronika fürchtet sich vor dem Qualm und Dreck. Feuer wird nach ihrem Verständnis einfach immer außerhalb des Hauses gemacht. Ich dagegen freue mich natürlich auf das Endprodukt, den starken Kaffee aber auch auf die Gerüche während der Kaffeezeremonie, den Geruch der frisch auf dem Feuer gebrannten Bohnen, die verschiedenen Weihrauchessenzen, die auf den brennenden Kohlen verteilt werden und dann natürlich den Geruch des frisch aufgebrühten Kaffee.

Die Kaffeezeremonie gestern war der Höhepunkt des kleinen Festessens nach den Exerzitien. Nach sechs Tagen des Gebets, der Einkehr und des Schweigens waren die Schwestern voller Dankbarkeit und Freude – mitten in all den Herausforderungen, die sie umgeben. Ich war tief beeindruckt!

Äthiopien

Für eine Woche bin ich nun in Äthiopien, das fünfte Mal jetzt. Und immer noch bin ich völlig verwirrt und schaffe es nicht, meine Eindrücke zu einem Bild zusammen zu puzzlen.

In den letzten Wochen sind ausnahmsweise auch in Deutschland Nachrichten von Hungersnöten und Aufständen aus Äthiopien angekommen, neben den vielen Erfolgsmeldungen über das Wirtschaftswachstum und die erste Straßenbahn Afrikas. Neue Puzzleteile in meinem Kopf.

Und bei der Fahrt vom Flughafen zum Schwesternhaus auf dem Gelände der Diözese Nekemte hier in Addis kamen dann ganz neue Bilder hinzu. Es war früher Morgen und noch wenig Verkehr. Und unser Fahrer hielt vorbildlich an den neuen Ampelanlagen mit Sekundenanzeige für die Rotphase, die neuen Kreisel in der Nähe des Flughafens haben irgendwelche monumentalen Wahrzeichen erhalten und es wurden einige hypermoderne Hochhäuser fertig gestellt. Aber schon nach wenigen hundert Meter waren statt Skulpturen schlafende, nur mit einem Mantel oder Pappe bedeckte Menschen zu sehen, liefen uns Kolonnen von Frauen mit riesigen Lasten auf dem Rücken entgegen und sahen wir, wie die Menschen mit körperlichen Handicaps ihren Platz zum Betteln vorbereiteten. Das ist Addis Abeba, die “Blume”.

Die äthiopischen Schwestern sind gerade alle hier in Addis zu Exerzitien. Sr. Lamberta aus Tansania sollte eigentlich am Donnerstag nach Hause ausreisen‎, ihre Zeit hier ist zu Ende. Doch nun gibt es Probleme beim Ausreisevisum und wir mussten wieder einmal umbuchen, wegen irgendwelcher bürokratischen Schikanen. Zum Abholen des Stempels wurde sie zu der Zeit einbestellt, die auf ihrem Flugticket als Abflugzeit gekennzeichnet ist. Naja, nun haben wir dafür noch ein wenig mehr Zeit zum Erzählen.

Äthiopien Wohngegend

 

Und plötzlich müssen wir Abschied nehmen…

Und plötzlich müssen wir Abschied nehmen. So schnell sind diese vier Wochen vergangen, so viele Erinnerungen, Begegnungen und Erfahrungen müssen in unseren Koffern verpackt werden. Und zwischendrin werden ein paar Tränen herunter geschluckt, vor allem bei den Abschiedsliedern und den vielen Umarmungen.

Doch es ist ein Abschied auf Raten. Bis Songea werden wir von vielen Schwestern zum Flughafen begleitet. Bei der Ankunft in Dar warten schon die Schwestern aus Luhanga auf uns. So bleibt – trotz der Trauer – die Verbundenheit und die Dankbarkeit für die geschenkte Zeit.

Premiere

Am Ende unserer Reise stand eine geniale Vorpremiere. Auf dem Rückweg von Makwai konnten wir nun das erste Mal im zukünftigen Seminar- und Exerzitienhaus übernachten. Die Schwestern warteten auf uns mit einem kleinen Festessen. Davor hat es tatsächlich noch zu einem Sprung in den See gereicht. Und heute Morgen begannen wir den Tag mit einem deutschen Gottesdienst und einigen Stunden Erholung, Schwimmen, Lesen, Wandern… einfach die wunderschöne Landschaft genießen. Ein Ort, der nur zu empfehlen ist!!!

Für uns ein paar wunderschöne Stunden Auszeit, bevor wir zum Abschiednehmen nach Mbinga zurück gekehrt sind.

Makwai

Unsere letzte Safari ging nach Makwai. Eine der neueren Stationen, die eigentlich der besonderen Unterstützung bedarf. Die Menschen direkt am Niassasee leben in einer wunderschönen Landschaft, sind aber tagtäglich vor große Herausforderungen gestellt. Die Meisten sind Fischer und dadurch abhängig vom Niassasee und dem Wetter. Mit einfachen Einbäumen können sie nur bei einigermaßen ruhiger See zum Fischfang ausfahren. In dieser Jahreszeit, dem Winter, ist der See aber oft stürmisch. Dann gibt es auch mal tagelang nicht viel zu essen. Der sehr steinige Untergrund ermöglicht oft nur den Anbau von Maniok und das Halten einiger weniger Tiere. Außer in den wenigen sumpfigen Bereichen, dort wird stellenweise Reis angebaut. Zur Zeit sind die Temperaturen angenehm, aber schon in wenigen Wochen wird es sehr heiß werden und jede körperliche Anstrengung um die Mittagszeit zur Qual.

Die Schwestern leben unter harten Bedingungen in der Pfarrei, dringend warten sie auf Unterstützung in unterschiedlichen Bereichen. Nun soll die Dispensary als Health Center aufgebaut werden, meinte jemand von der Regierung. Kein Wunder, Sr. Kafara macht in der kleinen Dispensary auch richtig gute Arbeit. Finanzielle Unterstützung gibt der Staat natürlich nicht. Und die Menschen rund um Makwai sind wirklich sehr arm. Doch irgendwie hat es Sr. Kafara geschafft, ein kleines Haus zu bauen, in dem ab nächsten Monat das Impfprogramm startet.

Peacefull – friedvoll

Meeting mit dem Regionalrat – den ganzen Tag! Und obwohl es durchaus anstrengend und herausfordernd war, gingen wir richtig zufrieden am Abend auseinander. Wir haben gemeinsam hart gearbeitet, mit einem Text von Papst Franziskus begonnen, das gab wohl eine gute Grundlage für unsere Themen. Am Ende des Tages hatten wir einen gemeinsamen Plan für die Wahlen innerhalb der Gemeinschaft im nächsten Jahr und weitere wichtige Themen aus den Gesprächen mit den Konventen und den aktuellen Herausforderungen bearbeitet. Wichtiger ist jedoch, dass wieder einmal durch den Austausch und das gemeinsame Ringen Verständnis und Vertrauen wachsen konnte. Sr. Mwombezi hat unser Zusammensein wohl besonders treffend geschildert: “it was so peacefull”. Ja, vielleicht ist das in diesen Tagen – nach den Ereignissen in Nizza und der Türkei – etwas Entscheidendes: dass, wenn wir wieder auseinander gehen, jemand voller Überzeugung sagen kann, “es war so friedvoll”.

Alltag! Zumindest ein wenig…

Nun ist heute plötzlich wieder Alltag, soweit man unsere Visitationsreise als Alltag bezeichnen kann. Heute stand der Besuch in Lundumato auf unserer Tagesordnung. In den letzten Jahren habe ich die Strecke immer ein wenig gefürchtet. In der Regenzeit war sie oft unpassierbar, einmal sind wir auf halber Strecke hängen geblieben. Doch heute bestätigte sich eines der vielen Gerüchte… tatsächlich wird aus der Katastrophenpiste durch die Berge eine asphaltierte Straße, mit EU-Mitteln, wie uns viele Schilder unterwegs verkündeten. Scheinbar wurden im Dorf hinter Lundumato irgendwelche Bodenschätze gefunden. Unsere Infos gehen von Aluminium über Gold zu Uran… Welche Veränderung dieser Bau mit sich bringen wird, wird sich zeigen. Im Moment freuen sich vor allem die Kinder an der Abwechslung und den großen Fahrzeugen. Und wie überall auf der Welt wird der Bagger bestaunt.

Wir treffen in Lundumato einen fröhlichen Konvent mit vier Schwestern an, die uns ganz genau die Herausforderungen der Menschen in Lundumato beschreiben können, die aber auch gleichzeitig betonen, dass sie gerne an diesem Ort sind. Schwester Pendo erzählt von den Kindern im Kindergarten, die oft bei der Essensausgabe um 12 Uhr Mittag noch nüchtern sind. In vielen Familien, in dieser armen und unfruchtbaren Gegend reicht es nicht für mehr als eine Mahlzeit am Tag. Schwester Bakhita hat nach wie vor Probleme in der Dispensary, da sich die meisten Patienten die Medikamente nicht leisten können und sie bringt uns zu zwei Frauen, die am heutigen Tag beide ihr achtes Kind geboren haben. Schwester Clementina beschreibt, wie sie versucht, ihr Wissen über Landwirtschaft und Anbaumethoden den Frauen von Lundumato zu vermitteln. Nachdenklich fahren wir wieder zurück, ob die Menschen von Lundumato wohl von der Straße und dem Abbau von Bodenschätzen profitieren werden.

Sherehe heißt Fest

Ein großes Fest wurde gestern hier begangen – schwer mit Worten zu beschreiben: diese überschäumende Freude, die Mischung aus Liturgie und traditionellen Ritualen, die Begeisterung der Schwestern und die Freude der Gäste, die Ernsthaftigkeit bei der Ablegung der Gelübde und die Ausgelassenheit bei den Tänzen, das Durcheinander der Gesänge und Tänze auf dem Gelände und die Gesamtordnung, in der jeder seinen Platz fand und vor allem genügend zu essen.

Ein wirklich beeindruckendes Fest.

 

Zusammenrücken und Zusammenhelfen

“Zusammenrücken” und “Zusammenhelfen” sind wohl die Stichwörter des Tages. Es ist faszinierend, wie die Schwestern und Schülerinnen zusammenrücken, um Platz zu machen, für die Gäste, die morgen zur Profess- und Jubiläumsfeier erwartet werden. Seit Tagen werden Klassenzimmer geräumt, Betten geschoben, Luftmatratzen aufgepumpt, Matten ausgelegt, um für die vielen Gäste Übernachtungsmöglichkeiten zu schaffen.

Aus allen Stationen kamen Schwestern angereist und übernehmen ganz selbstverständlich unterschiedliche Aufgaben. Fahnen werden aufgehängt, Girlanden fabriziert, Türen und Wände geschmückt. Die beiden Schwestern, die Elektrikerinnen sind, turnen auf den Mauern umher, um Lautsprecher zu installieren, denn die Kirche wird nicht allen Gästen Platz bieten und die Schwestern, die morgen auf den vielen Riesenkochkesseln auf drei Steinen im Freien kochen werden, sollen auch etwas von der Predigt mitbekommen. Zwei Kühe mussten dran glauben, unzählige Krautköpfe, Zwiebeln und Kartoffeln wurden geschält und geschnitten. In unterschiedlichen Hallen wird es etwas zu essen geben – auch die wurden wunderschön geschmückt.

Und alles läuft seit Tagen in einer Selbstverständlichkeit, Fröhlichkeit und gespannter Vorfreude ab, die uns völlig fasziniert. Inzwischen sind wir total gespannt auf das große Fest morgen.