Kinder
Der Tag begann mit Begegnungen mit den bei der Verbandsvisite in Ikonda vor Schmerzen weinenden Kindern und endet mit den hörgeschädigten Kindern, die uns in Ruhuwiko begrüßen. Kinder, die so früh schon vor besondere Herausforderungen gestellt sind und in deren Augen ganze Geschichten zu lesen sind – und vor allem ganz viel Sehnsucht nach Geborgenheit und Nähe.
Dazwischen lagen über 300 km – inzwischen durch die klimatischen Bedingungen – relativ schlechte Straßenverhältnisse, ca. 1500 Höhenmeter und viele Eindrücke von Land und Leuten.
Die Schwestern in Ruhuwiko haben uns herzlich aufgenommen, hier werden wir für drei Nächte sesshaft werden und von hier aus die Stationen in der Diözese Songea besuchen. Doch jetzt sind wir einfach froh und dankbar, dass wir gut angekommen sind.
Ruhuwiko
In allen Einrichtungen tauchen immer wieder akute und nicht vorhersehbare finanzielle Engpässe auf, die neue Handlungsmuster fordern und die für uns Deutsche oft so schwer einschätzbar sind. St. Vincent, die Schule für Kinder mit Hörschädigungen wurde neben der Lehrervergütung, die klassische Aufgabe des Staates ist, auch für weitere Zwecke vom Staat finanziell unterstützt. Vor drei Jahren konnte die Schule noch mit fast 70.000.000 TSH rechnen. Das sind ca. 35.000 Euro. Im letzten Jahr waren es noch 41 Mio. dieses Jahr sind wir bei 14 Mio. mit der klaren Aussage der Regierung, dass damit das Budget erschöpft ist. Schwester Ernesta erklärt, dass sie seit dem letzten Jahr dieses Geld sowieso nicht mehr für den täglichen Unterhalt der Schüler nutzen durften, sondern Anschaffungen für die Schule tätigen mussten. Unter anderem konnten sie damit das Fahrgeld der Schüler in die Ferien finanzieren. Nun war das in diesem Jahr nicht mehr vollständig möglich, mit dem Ergebnis, dass sie drei Schüler „verloren haben“, so Sr. Ernesta. Sie beschreibt, mit welchem Aufwand die Ferien für Lehrer und Schulleitung verbunden sind. Während bei uns alle die letzte Schulstunde vor den Ferien nicht abwarten können und dann – Lehrer wie Schüler – schnell verschwunden sind, müssen die Schüler, aufgrund ihres Handicaps von den Lehrern oft über lange Busstrecken nach Hause gebracht werden. In diese Busfahrten wurde unter anderem das Geld der Regierung investiert. Es reicht dann aber nicht, den Eltern das Geld für die Rückfahrkarte nach den Ferien zu geben. Die Versuchung und die Not ist zu groß, das Geld anderweitig auszugeben, damit endet dann die Schulzeit der Schüler vorzeitig und scheitert an der Rückfahrt in die Schule nach den Ferien.
In diesem Jahr hat nun die Regierung beschlossen, dass alle Sekundarschulen im Land richtige Toiletten mit Wasserspülung brauchen. Dieser Beschluss wird nun vom Verantwortlichen in Songea umgesetzt. Das bedeutet für Schulen für Kinder mit Handicaps sind alle Sonderzulagen fürs erste gestrichen und Sr. Ernesta als Schulleitung und Sr. Lea als Buchhalterin sind auf der Suche nach neuen Geldquellen.
Krankenhausküche in Ikonda
Auch wenn das Bild der Krankenhausküche von Ikonda nicht den Anschein erweckt, es ist trotzdem ein Vorbildkrankenhaus in Tansania – samt Isolierstation und frisch angeliefertem Computertomograph.
Im Moment sind mit Beatrix und Lash zwei junge Menschen hier, die durch die Vermittlung und Organisation von Sr. Lucia lebensnotwendige Operationen erhalten haben. Beatrix hatte durch die Malaria an beiden Beinen Thrombosen. Einer der Unterschenkel wurde deshalb schon vor zwei Jahren amputiert. Vor einigen Wochen verschlechterte sich ihr Allgemeinzustand so massiv, dass man um ihr Leben bangte. Beide Beinen hatten massive Infektionen mit der Beteiligung der Knochen und mussten nun dringend amputiert werden. Nur so kam sie mit dem Leben davon. Bald kann sie entlassen werden, dann steht noch die Versorgung mit Prothesen an.
Auch Lash hat eine infizierte Wunde am Bein, die nach einer Sportverletzung vor einem Jahr inzwischen auch von Maden besiedelt war. Bei ihm konnte in letzter Minute die Amputation verhindert werden, aber er wird noch lange stationär behandelt werden müssen.
Da in Tansania die Patienten von ihren Angehörigen gepflegt und mit Essen versorgt werden müssen, ist Lashs Mutter und Beatrix Oma mit in Ikonda. In einer großen Halle kochen die Angehörigen das Essen für Ihre Kranken. Für Lashs Mutter bedeutet dieser Krankenhausaufenthalt den finanziellen Ruin. Zwar bekommen sie als “Sozialfall” die Operation hier umsonst und für den Rest sorgt Sr. Lucia mit der Hilfe von Spendengeldern, aber durch die lange Abwesenheit von Zuhause musste sie nun ihren kleinen Laden schließen. Jetzt hat sie natürlich große Sorge, ob ihr nach dem Krankenhausaufenthalt eine Chance zum Neubeginn bleibt. Mal sehen, ob wir in den nächsten Tagen eine sinnvolle Lösung finden…
Wieder einmal sind wir beeindruckt von der Arbeit und der Organisation hier in Ikonda – und voller Hochachtung vor der Leistung der Menschen hier vor Ort.
Mittendrin
Irgendwie sind wir schon mitten drin… Lulu heißt die kleine Dame auf dem Bild. Seit Anfang August ist sie im Aidswaisendorf in Ilunda und immer krank. In zwei Hospitälern waren die Schwestern mit ihr. Das Ergebnis des HIV-Tests ist nirgends aufzutreiben… Aber alles, was die Schwestern erzählen, spricht diese Sprache. Erschöpft und ohne Energie liegt sie im Arm, überall sind Knochen zu spüren, das Heben des Kopfes macht ihr mit acht Monaten große Mühe. Die Lippen sind rissig, im Mund hat sie offene Stellen, das Abhusten kostet zu viel Kraft… Ein paar Stunden Körpernähe, das ist alles, was wir ihr heute geben konnten… Nähe, die ihre verstorbene Aidskranke Mutter ihr nicht mehr geben kann und die Erzieherinnen hier im Kinderdorf auch viel zu selten.
Wieder bin ich überrascht über die neuen Kleinkinder und Babys. Schwester Dorothea berichtet, dass sie nun schon zwei Kinder in wenigen Tagen an eine Einrichtung in der Nähe geben mussten, weil sie überfüllt sind – vor allem so viele Babys wollen versorgt werden.
Obwohl die warme Zeit in Tansania beginnt, ist es am Abend empfindlich kalt und wieder einmal laufen viele “Rotznasen” durchs Gelände. Rotznasen, die man so wunderbar an den Kleidern und Schleiern der Schwestern beim Toben und Kuscheln abwischen kann. Entsprechend sehen wir schon am Anfang der Reise aus…
Morgen steht Ikonda auf unserem Programm. Heute haben wir schon einen Kurzbesuch im NeemaGuesthouse in Iringa gemacht. Ein wirklich beeindruckendes Integrationsprojekt für Menschen mit Behinderung.
Ach, und Sr. Lucia hat uns vom Flughafen in Iringa abgeholt – ein Wiedersehen als Highlight des Tages!
Regen im September
… Nein, nicht in Deutschland, da sind wir Kummer gewöhnt in diesem Sommer. Daresalaam erwartete uns mit Regen.
Nach einer langen Reise sind wir hier gut gelandet. Die Sorge vor Ebola ist auch hier zu spüren. Zumindest stand eine etwas gelangweilte Gesundheitskontrolle am Ankunftschalter… Hoffen wir mal, dass bei der Ankunft eines Fliegers aus Westafrika die Arbeitsmotivation steigt;-) Auf alle Fälle sind wir gut bei den Benediktinern angekommen und haben auf der Veranda das obligatorische Willkommensbier getrunken. Irgendwann wurde dann plötzlich das Licht ausgeknipst und es war Nacht. Wie ich hier die Dämmerung vermisse… Es ist, als überrasche die Nacht den Tag immer wieder aufs Neue… Unangenehm, so ohne Vorbereitung zu kommen… Dunkelheit! Nacht!
Morgen geht es früh weiter – mit dem Flugzeug nach Iringa. Dort erwartet uns Sr. Lucia, wie ich mich freue!
Aufbruch zur großen Visitationsreise
München Flughafen ist dieses Mal unser Ausgangspunkt… München – Dubai – Daressalam… Dieses Mal brechen wir zur großen Visitationsreise mit Generaloberin, Sr. M. Lintrud und Superior Briemle auf. Unsere letzten Visitationsreisen endeten einmal mit dem tödlichen Autounfall von Sr. Gabriele und das folgende Mal mit unserem eigenen Zusammenstoß mit einem Zug in Dar. Na, da bleibt nur die Hoffnung, dass wir bei dieser Reise gut an den einzelnen Stationen ankommen.
Die drei Wochen sind dicht gedrängt, viele verschiedene Stationen stehen auf unserem Reiseplan, viele Begegnungen… Gespannt, was sich wohl in den nächsten Tagen entwickelt, warten wir auf den Abflug und hoffen auf Begleitung und Segen…